nd-aktuell.de / 05.06.2003 / Sport

Nach Höhenflug doch der Rückzug?

Folgen der Senats-Sparpläne für den Berliner Sport - nur ein Fall

Jürgen Holz
Zu DDR-Zeiten war die BSG Empor Brandenburger Tor in Berlin eine Macht mit über 3000 Mitgliedern in 15 Sektionen und weiteren 800 Sporttreibenden im Freizeitsport. Heute zählt der in Friedrichshain beheimatete Verein, der sich statt BSG (Betriebssportgemeinschaft) nur noch schlicht SG nennt, 1070 Mitglieder in 11 Sektionen. Hinzu kommen rund 400 Interessenten, die ausschließlich im Freizeitsport in 12 Fußball-, 13 Volleyball-, 3 Kegel- und 3 Badminton-Gruppen aktiv sind. EBT - nach wie vor eine Macht »Wir sind nach wie vor eine Macht, auch wenn die Mitgliederzahl gegenüber früher um zwei Drittel zurückgegangen ist«, stellt Achim Kosubek heraus. Der 63-Jährige ist seit 1978 Vereinsvorsitzender. Nach der Wende war er zunächst arbeitslos. Inzwischen ist er »vorzeitiger Rentner« und kümmert sich Tag für Tag »mindestens acht Stunden lang«, wie er erzählt, ehrenamtlich um den Vereinsvorsitz. »Verglichen mit der Vorwendezeit ist auch das Nachwuchspotenzial zurückgegangen: von 1400 Kindern und Jugendlichen - damals fast der Hälfte der Gesamtmitliederzahl - auf heute rund 300, was einem knappen Drittel entspricht. Das ist aber eine gute Balance zwischen Nachwuchs und Erwachsenen, um als Verein den Sport finanzieren zu können«, sagt Kosubek, »denn wir können den Kindern nicht horrende Mitgliedsbeiträge abknöpfen. Wir finanzieren den Vereinssport aus eigener Kraft über die monatlichen Mitgliedsbeiträge.« Die setzen sich übrigens aus Vereins- und Abteilungsbeiträgen zusamen und sind daher von Abteilung zu Abteilung unterschiedlich: Im Badminton zahlen Kinder monatlich 9 Euro und Erwachsene 13 Euro, im Billard sind es 14 (Kinder) und 20 Euro (Erwachsene). Finanzen - das ist der Knackpunkt eines jeden Vereins. Auf rund 400000 Euro beläuft sich der Gesamtetat bei der SG Empor Brandenburger Tor (EBT). Hierin einbegriffen ist ein Zuschuss des Senats und des Landessportbundes (LSB) von rund 30000 Euro ausschließlich für die Badminton-Mannschaft von EBT, die nächste Saison in der 1. Bundesliga spielt. Dieser Zuschuss kommt übrigens zu einem nicht unwesentlichen Teil aus Mitteln der Berliner Spielbank zustande. Doch diese Spielbank-Mittel von zurzeit insgesamt 800000 Euro für die Berliner Bundesligisten soll nach den Plänen des rot-roten Senats komplett gestrichen werden. Einhergeht diese Streichung mit einer beabsichtigten Kürzung der Sportfördermittel der Stadt für das Jahr 2004 von derzeit 9,5 auf 4,47 Milliarden Euro. Das wäre mehr als eine Halbierung und trifft den Nerv der rund 530000 Mitglieder in den 2000 Berliner Sportvereinen empfindlich. Zum Vergleich noch: Im Jahr 1993 hat die Sportföderung des Berliner Senats rund 20 Millionen Euro betragen. Daran gemessen bedeutet die jetzigen Sparorgie des Finanzsenators Thilo Sarrazin einen Rückgang um mehr als 75 Prozent! Angesichts des Kaputt-Sparens wird der Sport in dieser Stadt in seiner ganzen Breite mehr und mehr zum Almosenempfänger. Sportlich ein bitterer Weg Bei EBT ist man auf alles gefasst. »Wir verfahren in unserem Verein ohnehin nach dem Grundsatz: Keiner lebt auf Kosten des anderen«, schildert der Vereinschef. »Was im Klartext heisst: Wenn es tatsächlich zu den Kürzungen des Senats kommt und damit der Bundesliga-Badminton-Mannschaft die 30000 Euro am Gesamtetat der Abteilung von 100000 Euro fehlen, dann müssen wir uns wieder aus der ersten Bundesliga zurückziehen.« Es sei schon ein »ungeheurer Kraftakt für die Badminton-Abteilung«, so Kosubek, »die 70000 Euro zusammenzubekommen, was nur durch die Gewinnung einiger Sponsoren gelang«. Aber die 30000-Euro-Lücke sei dann nicht mehr zu schließen. Die Badminton-Abteilung von EBT um den Abteilungsleiter, Rechtsanwalt Manfred Kehrberg, hat gerade eine erfolgreiche Saison hinter sich, die erfolgreichste in der Vereinsgeschichte. Die erste Mannschaft gewann die Meisterschaft in der 2. Bundesliga und sicherte sich den direkten Aufstieg - ohne die sonst notwendigen Aufstiegsspiele, weil Bayer Uerdingen und der Lokalrivale BC Eintracht Südring zurückgezogen haben - übrigens aus finanziellen Gründen! Mit Fabian Zilm, Andreas Kämmer und Therese Nawrath feierten drei EBT-Aktive den Mannschaftstitelgewinn bei den Jugend-Europameisterschaften in Dänemark. Und bei den deutschen Mannschaftsmeisterschaften wurde das Jugendteam von EBT Meister. »Es wäre bitter«, sagt Achim Kosubek, »wenn nach diesem Höhenflug und der bevorstehenden Erstligasaison durch das Wegbrechen der finanziellen Förderung der Rückzug folgen würde. Das wäre sportlich bitter vor allem für unseren Nachwuchs.« Das Markenzeichen der Badminton-Abteilung von EBT mit insgesamt 95 Mitgliedern ist gerade die konsequente Nachwuchsförderung. »Was in der ersten und zweiten Bundesliga von EBT spielt, kommt aus den eigenen Reihen. Wir können uns keine teuren Ausländer leisten, und wir wollen das auch gar nicht. Entweder schaffen wir es aus eigener Kraft oder lassen es sein«, bringt Kosubek die Sache auf den Punkt. »Wir zahlen keinen Euro Gehalt an Bundesligaspieler.« Sarrazins »Rasenmäher-Rallye« Insofern unterscheidet sich der Badminton-Bundesligist EBT von anderen Erstligisten dieser Stadt, die - wie etwa die Volleyballer des deutschen Meisters SC Charlottenburg oder der deutsche Wasserball-Meister WF Spandau 04 - noch ganz ordentliche Spielergehälter zahlen. Aber unterm Strich ist auch für sie bei den beabsichtigen Einschnitten bei den Sportfördermitteln und der kompletten Streichung der Spielbank-Zuschüsse gleichfalls der Rückzug aus der Bundesliga so gut wie unausweichlich. Denn unter diesen finanziellen Umständen würde gut ein Drittel am Etat fehlen, was - wie sie unisono erklärten - nicht auszugleichen wäre. Die »Rasenmäher-Rallye« des Finanzsenators, wie LSB-Präsident Peter Hanisch spottet, hätten noch weitere gravierende Folgen: ohne Fördermittel keine Trainer, ohne Trainer keine Talentförderung, ohne Talentförderung keine Spitzenmannschaft - eine Kette ohne Ende. Womöglich ist ab 2004 vom Spitzensport-Standort Berlin gar keine Rede mehr...