nd-aktuell.de / 06.06.2003 / Politik
Gundermann erhielt in seiner Heimatstadt Auftrittsverbot
Liedermacher vorübergehend von Hoyerswerdas Homepage verbannt
Hendrik Lasch
Der Liedermacher Gerhard Gundermann ist von der Internet-Seite seiner Heimatstadt Hoyerswerda verbannt worden. Nach öffentlicher Empörung wurde das Auftrittsverbot nun befristet.
Gerhard Gundermann hat seine Stadt gemocht. Als »heiß, laut, staubig und verbaut« hat er das zur Kohlestadt gewachsene Lausitzer Provinznest erfahren - und ihm doch als »blasser Blume auf Sand« seine Zuneigung erklärt. »Hoyerswerda, wir sind dir treu«, schrieb der Baggerfahrer und Liedermacher für die »schönste Stadt hier im Land«.
Treue jedoch ist oft nicht auf Gegenseitigkeit gegründet. Knapp fünf Jahre nach Gundermanns Tod hat sich Hoyerswerda von einem seiner bekanntesten Bürger losgesagt. So jedenfalls werten Gundermann-Freunde den Umstand, dass dem Künstler ein Auftrittsverbot auf der Internet-Präsenz der Stadt ausgesprochen wurde. Verwiesen wird dort auf den Computerpionier Konrad Zuse, die Schriftstellerin Brigitte Reimann sowie einen Bildhauer und einen Heimatforscher. Die erst im November 2002 eingestellte Gundermann-Seite mit Fotos, Biografie, Werkverzeichnis und Liedtexten jedoch wurde klammheimlich vom Netz genommen.
Die von den Fraktionsvorsitzenden der drei Stadtratsfraktionen CDU, SPD und PDS getroffene Entscheidung ist offiziell den biografischen »Irrwegen« des Liedermachers geschuldet. Dieser hatte zu Anfang der 80er Jahre als IM für die Staatssicherheit gearbeitet, die Tätigkeit dann aber beendet. 1984 wurde der Künstler und Arbeiter aus der SED ausgeschlossen - wegen »prinzipieller Eigenwilligkeit«.
In der Internet-Biografie wurde die zeitweilige Spitzeltätigkeit erwähnt - was jetzt zur Verbannung führte. Die Fraktionschefs wollten nicht den »Stasi-Mann Gundermann« zum Aushängeschild machen, berichtet die örtliche Presse. Auch PDS-Fraktionschef Ralf Haenel bekräftigte auf Nachfrage, die Stadt solle »nicht mit einem IM werben«. Die örtliche PDS hat sich inzwischen distanziert. Stadträte der Partei, für die Gundermann in Wahlkämpfen gesungen hatte, versicherten eilig, die Entscheidung sei auf einem Rathausflur ohne Konsultation der Fraktionen getroffen worden.
Die »Bereinigung« der Internetseite hat sich als fatale Negativwerbung für die Lausitz-Stadt erwiesen. Die Fernsehschauspielerin Nadja Engel attestiert der Stadt mangelndes Schamgefühl; der Drehbuchautor Jens Becker bezeichnet die Verantwortlichen als »Schildbürger«. Der Liedermacher und PDS-Politiker Bernd Rump spricht unter Anspielung auf früheres Vorgehen gegen Gundermann von einem »dritten Parteiausschlussverfahren«.
»Arroganz, Unprofessionalität und Seelenlosigkeit« wirft Conny Gundermann den Verantwortlichen vor. »Einige haben es geschafft, still und leise, ohne irgendwie aufzufallen, groß zu werden«, schreibt die Witwe des Sängers: »Die sind heute fein raus.« Gundermann sei engagiert und ungeduldig gewesen, aber auch »unerbittlich mit eigenen Fehlern und Schwächen ins Gericht gegangen«. Traurig äußert sie sich über eine Stadt, die »ihre Kinder verleugnet, nur weil sie, ihrer Meinung nach, nicht immer vorbildlich waren«.
Auch in Hoyerswerda sorgt das Auftrittsverbot für Empörung. Nach Ansicht von Bernd Nitzsche von der städtischen »Kulturfabrik« zeigt der Vorgang »den Kleingeist, der in dieser Stadt herrscht und der einer weiteren positiven Entwicklung immer wieder im Wege stehen wird«. In der Kulturfabrik ist derzeit eine Fotoausstellung über den Liedermacher zu sehen; zum fünften Todestag am 21. Juni soll ein Gundermann-Treffen stattfinden.
Wegen des öffentlichen Drucks haben die Verantwortlichen nun ein Ende des Auftrittsverbots in Aussicht gestellt. Wenn man schon einmal hingefallen sei, müsse man auch wieder aufstehen und aufrecht durchs Leben gehen, sagte Oberbürgermeister Horst-Dieter Brähmig unter Anspielung auf einen Gundermann-Text. Der PDS-Rathauschef, der nach Angaben von Stadträten bei der Entfernung der Seite nicht beteiligt war, will Gundermann »als Person in verantwortlicher Weise dargestellt« sehen und mahnt zu »qualifizierter Auseinandersetzung mit der DDR-Geschichte«. Spätestens bis zum 21. Juni soll Gundermann wieder auf der Stadtseite vertreten sein. Über die Form soll ein Beirat entscheiden. Dem Gremium sollen - neben Vertretern von Kultur und Wirtschaft - auch die drei Fraktionschefs angehören, deren Beschluss den Eklat ausgelöst hat.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/36515.gundermann-erhielt-in-seiner-heimatstadt-auftrittsverbot.html