nd-aktuell.de / 21.08.1992 / Politik / Seite 5

Sondern?

In Brandenburg sind Entscheidungen gefallen, die andere Regierungen der Bundesrepublik Deutschland eine gesamte Legislaturperiode lang beschäftigen würden. Unser Land hat auf verschiedensten Ebenen eine Meinungsführerschaft übernehmen können, die das Resultat bürgernaher Politik ist. Sei es nun die Kreisgebietsreform,- die Diskussion ums Vermögensrecht, seien es Treuhand- und Eigentumsfragen - das Bündnis 90 ist in Brandenburg an einem lohnenden politischen Ansatz beteiligt, sowohl programmatisch als auch in der kommunalen Arbeit..

Daß dazu Kompromißbereitschaft gehört, ist ja wohl eine Binsenweisheit.

Aber wenn Sie nun das, was als Programmatik über jenem Herbst '89 stand, mit dem vergleichen, was die politische Stimmung im jetzigen Deutschland betrifft - ist da der Unmut der Leute über das Versagen regierender Politiker nicht verständlich?

Die Leute, d i e Politiker! Pauschale Urteile helfen nicht weiter, und sie gehen an der Wahrheit vorbei. Wir hatten zu Zeiten der DDR-Volkskammer drei Prozent Stimmen. Es ist uns nicht gelungen, beispielsweise die Einheitsprozesse nach unseren Vorstellungen zu steuern. Um wieder nur Eigentums- und Treuhandpolitik zu nennen. Aber es ist wenig sinnvoll, rückwärtsgewandt zu resümieren, was man unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen hätte machen müssen. Und ebenso wenig sinnvoll ist es, auch noch mit Hinweis auf jenen Herbst '89 gleichsam nochmal zur Revolution aufzurufen. Das ist, wenn ich etwa an die „Komitees für Gerechtigkeit“ denke, eine Irreführung der Menschen, das ist ein leichtfertiges Spiel mit ihren Hoffnungen auf ein wirklich besseres Deutschland.

Oder ist es Treue zu einer Utopie und der Wille vieler Ostdeutscher, sich nicht schon wieder belügen zu lassen?

Es ist immer erstaunlich, wie etwa,mit dem Begriff des Volkes umgegangen wird. Für die einstigen Machthaber in der DDR war es 40 Jahre lang Inbegriff des Fortschritts; als die Macht verloren war, zeigte man enttäuscht auf das Volk, das sich nunmehr erschreckend schnell mit Bananen und Begrüßungsgeld zufrieden gab. Jetzt beruft man sich bereits wieder auf Utopien und darauf, daß sie

im Volk verwurzelt seien? Es geht immer alles sehr, schnell. Wie man's gerade braucht

Aber woran liegt es denn, daß die Menschen, geht es um aktuelle Politik, die Mundwinkel so hängen lassen und etwa in den Medien eben mehr vom Koalitions-Hickhack als von der Lösung brennender Probleme lesen.

Um bei den Medien zu bleiben: Das hängt ja nun wirklich davon ab, was die Leute lesen, wofür sie sich wirklich interessieren. Der Hauptpunkt aber: Wir im Bündnis gehen von den Realitäten des Systems aus, in dem wir leben. Wir nehmen den freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ernst und die Chance wahr, mit unserer politischen Auffassung um Mehrheiten werben zu können. So hat auch das Bündnis 90 in Brandenburg mit einem politischen Ansatz, der durchaus radikal ist, dazu beigetragen, daß kein parlamentarischer Stillstand herrscht. Nehmen Sie nur unser Wirtschaftsprogramm. Hinter dieser Politik, die stärker an den Interessen der Ostdeutschen dran ist als vielleicht anderswo in den neuen Bundesländern, stehe ich mit gutem Gewissen