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  • Brandenburg
  • Auf Suche nach dem Neuanfang und nicht nach dem Ende:

Keine PDS de Luxe als Angebot für den Westen

  • Lesedauer: 3 Min.

Um Ziele abzustecken, muß nüchtern analysiert werden, wo man steht. Diesen Versuch unternahm am Mittwochabend der Landesvorstand der Berliner PDS, als er sich der Lage der Partei in den Westbezirken widmete. Und die ist doch sehr ernüchternd. Rund 500 Mitglieder sind in den Westbezirken organisiert, die wenigsten aktiv. Enthusiasten des Anfangs sind wieder abgesprungen. Von Kreisverbänden in einigen Stadtbezirken zu sprechen, gleicht doch sehr Potemkinschen Dörfern. Die Bemühungen der PDS, sich dem Westberliner Wählerpotential als linker Hoffnungsträger überzeugend zu präsentieren, blieben bisher ohne Erfolg. Es wäre wohl auch eine gefährliche Selbsttäuschung gewesen, dies in dieser Stadt und in diesem politischen Klima erreichen zu wollen. Die Ursachen dafür sind vielschichtig. Hausgemachte und objektive.

Eine der Hauptschwierigkeiten besteht wohl darin, wie Linke -

wen oder was man auch immer darunter verstehen mag - miteinander umgehen. Wer ist der beste Linke, wer der edelste, sauberste Sozialist? Die oft zänkische, rechthaberische Sucht, darauf eine Antwort zu finden, muß zwangsläufig ins Sektierertum abgleiten. Deshalb war die selbstkritische Sicht, von Vorstandsmitgliedern vorgetragen, zweifellos der richtige Ansatz. Doch der Teufel liegt im Detail und in den Mühen des politischen Alltags. Und da muß sich immer wieder neu beweisen, daß die PDS wirklich offen ist für jede und für jeden Linke/n, die/der sich zu den Grundsätzen des demokratischen Sozialismus bekennt. Niemanden vor den Kopf zu stoßen ist erlernbar und kein Naturtalent.

Ein zweites Problem, von vielen angesprochen: Die Gräben, die die Stadt noch teilen, markieren auch die Befindlichkeiten der Mitglieder und Sympathisanten in Ost und West. Einem vorgetragenen Stand-

punkt, es gebe 23 Bezirke und sonst nichts, wurde von vielen Seiten widersprochen. Es gibt sehr wohl unterschiedliche Herkunft, und das kann und darf man nicht wegreden. Das Zusammenwachsen zu einer Gesamtberliner Partei ist ein komplizierter und langwieriger Prozeß - ob auf dem Niveau des Wählerpotentials der Westbezirke oder der östlichen, wo zuletzt jede dritte Stimme der PDS galt, bleibt eine offene Frage. Der Aufschwung einer linken Bewegung, die folgerichtig in dem Maße anwachsen wird, wie das soziale Gefälle immer krasser wird und die Schuldzuweisung an den untergegangenen Sozialismus nach und nach verblaßt, wird nicht ewig auf sich warten lassen. Wir sind in einer atemberaubend schnellebigen Zeit. In dem Maße, wie sich die PDS heute für diesen Zeitpunkt rüstet, hat sie eine Chance, sich zu einer bedeutenden politische.n Kraft in der Stadt und im Lande zu profilieren.

Deshalb war es richtig zu sagen: Wir stehen in Westberlin an einem Neuanfang. Es gibt durchaus ein ansprechbereites Potential.. Es gezielt für eine Zusammenarbeit zu gewinnen, betrachten die Westberliner Mitglieder als Aufgabe mit oberster Priorität. Die PDS darf dort kein exklusiver Club bleiben, keine PDS de Luxe für den Westgebrauch, wie es einer treffend formulierte. Dies läßt sich u.a. damit erreichen, in der außerparlamentarischen Bewegung eine »noch aktivere Rolle zu spielen. Zu den praktischen Ergebnissen der Tagung zählt, daß der Landesvorstand eine Arbeitsgruppe ins Leben ruft, die die Situation der PDS in Westberlin analysiert und Angebote für die weitere Entwicklung unterbreitet. Vorgesehen ist auch, daß Veranstaltungen mehr nach Westberlin verlagert werden. Das könnte sicherlich dazu beitragen, die jetzt so dünne Decke zu kräftigen.

PETER KIRSCHEY

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