nd-aktuell.de / 21.08.1992 / Brandenburg / Seite 8

Fall 3: Emma Pittack

Die inzwischen verstorbene Emma Pittack wurde von einem DDR-Gericht wegen „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ zu 2 Jahren Freiheitsentzug und der Einziehung des Vermögens verurteilt. Hintergrund: Die Verurteilte führte zur Nazizeit einen Gemüsehandel. Sie war zwar nicht in einer faschistischen Organisation aktiv, doch profitierte sie von der Verschleppung der Zwangsarbeiter nach Deutschland. Zwei polnische Zwangsarbeiterinnen hatte sie in

ihrer Gewalt. Nach Aussagen ihrer Tochter hat Emma Pittack die Verschleppten immer gut behandelt und ihnen genügend zu essen gegeben. Nach damaligen Zeugenaussagen jedoch hatte Frau Pittack die Zwangsarbeiterinnen Janina Kubala und Helena Wanda recht brutal ausgenutzt und ihnen mit der Gestapo gedroht, wenn sie nicht spurten. Janina sei dann auch von der Geheimpolizei abgeholt worden. Was aus ihr geworden ist, wurde nie aufgeklärt. Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Beweis der Schuld von Frau Pittack. Das Gericht jedoch gelangt zu einer anderen Auffassung: Zwangsarbeiter waren ihrer elementaren Menschenrechte beraubt. Indem die Gemüsehändlerin aus der Arbeitskraft der Polinnen Gewinne zog, hat sie sich als Mittäterin dem faschistischen Unrecht angeschlossen. Es weist somit den Kassationsantrag als unbegründet zurück.

Drei Fälle von vielen, die zeigen, wie kompliziert es ist, nachträglich auf Urteile eines anderen Staates Einfluß zu nehmen. Richtig ist: Nach Bundesrecht wären die Fälle in der Weise wohl niemals zur Verhandlung gekommen. Doch das zählt nicht. Sie sind nach DDR-Recht verurteilt worden. Und um diese Tatsache können die heutigen Gerichte keinen Bogen machen.

PETER KIRSCHEY