nd-aktuell.de / 21.08.1992 / Kultur / Seite 14

Glanz und Misere in Eibflorenz und an der Pleiße

Repräsentatives Wohnhaus im Leipziger Musikviertel

~njlla Heise / Nortrud Lippola (Hg.): Leipzig zu Fuß. Forum Verlag Leipzig / VSA Verlag Hamburg, 1990, 254 S., brosch., zahlr. Abb., 29,80 DM. Matthias Meisner / Andreas Wassermann (Hg.): Dresden zu Fuß. VSA-Verlag Hamburg, 1991, 223 S., brosch., zahlr. Abb., 29.80 DM.

Das „zu Fuß“ im Titel beider Bände war mir auf den ersten Bück sympathisch, vor allem eingedenk des nicht nur in unseren Städten lawinenartig wachsenden motorisierten Chaos. In der Tat erschließt sich der genius loci insbesondere einer Großstadt am besten im Gehen. Davon zeugen die 18 bzw. 22 Stadtteilrundgänge, die dank unterschiedlicher Handschriften jeweils eigenes Profil gewinnen.

Beiden sächsischen Metropolen, Residenz die eine, Handelszentrum die andere, ist in ihrem heutigen Zustand eines gemeinsam: sie wurden vom Bombenkrieg des zweiten Weltkrieges in ihrem historischen wie profanen Baubestand stark betroffen. Die Rundgänge spiegeln das wider, wenn es darum geht, den Wiederaufbau der Nachkriegszeit wie den aktuellen Bauzustand zu schildern. Dabei stehen die Stadtzentren zu Recht im Mittelpunkt. Bei ( Leipzig sind diesem Thema drei,' mit dem Bericht über den sozialistischen Aufbau der 50er Jahre sogar vier Kapitel gewidmet. Was Dresden angeht, sind Altstadt, Innere und Äußere Neustadt mit ähnlich gestalteten Rundgängen bedacht, bei denen die weltberühmten wiedererstandenen historischen Bauwerke wie Zwinger, katholische Hofkirche und Semperoper Schwerpunkt bilden, wie auch der Große Garten, Blasewitz, Loschwitz, der Weiße Hirsch und Hellerau im unmittelbaren Einzugsbereich der Stadt. Die vielgestaltige Umgebung im Eibtal und auf den Höhen im Norden und Sü-

den ist freilich nur „kursorisch“ angedeutet, während im Leipziger Band für die allgemein als reizlos verschrieene Umgebung jener Stadt eine Lanze gebrochen wird. Was in beiden Bänden an städtebaulichen Sünden der jüngsten Vergangenheit angekreidet ist, sei vor allem den neudeutschen Planern Dresdens wie Leipzigs dringend als Lektüre zu empfehlen.

Vergangenheit und Gegenwart zu verknüpfen, ist meines Erach-

tens geglückt, die Angaben iur Sache sind verläßlich. Es gilt aber festzuhalten, daß es sich um Momentaufnahmen handelt, manches bald überholt sein wird, einiges auch zum Widerspruch herausfordert. Zum Beispiel die zu gering bewertete internationale Position der Leipziger Alma mater in ihrer Zeit als Karl-Marx-Universität. Man sollte den vorgegebenen Fußspuren mit kritischen Gespür folgen.

WERNER MÜLLER