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Kurzes Leben als Völkerrechtsquelle

  • Lesedauer: 2 Min.

Es existiert nun allerdings der im Papier des Gerechtigkeitskomitees benannte Pferdefuß: Mit dem Untergang der DDR gibt es seit dem 3. Oktober 1990 kein Rechtssubjekt mehr, das auf völkerrechtlichem Wege die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des EV, seine Einhaltung, eine bestimmte Auslegung oder eine Vertragsänderung geltend machen könnte. Vor dieser negativen Konsequenz eines Beitritts nach Art. 23 Grundgesetz anstelle anderer Einigungslösungen hat gerade Gregor Gysi rechtzeitig und deutlich gewarnt. Es gibt niemanden, der die Sache vor den Internationalen Gerichtshof bringen könnte, denn nach Art. 34 des Status sind nur Staaten berechtigt, dort als Parteien aufzutreten. Der EV hatte als Völkerrechtsquelle ein unge-

wohnlich kurzes Leben. Am 29. September 1990 trat er in Kraft Und vier Tage später beendete er seine Existenz als völkerrechtlicher Vertrag durch Wegfall eines Partners. Entsprechend seinem Art. 45 gilt er als Bundesrecht weiter. Der EV enthält keine Bestimmungen über seine Änderung. Logischerweise. Als Bundesrecht kann er ja jederzeit durch Bundestag und Bundesrat geändert werden. In Art. 44 EV heißt es vage: „Rechte aus diesem Vertrag zugunsten der DDR oder der in Art. 1 genannten Länder können nach Wirksamwerden des Beitritts von jedem dieser Länder geltend gemacht werden.“ Man darf gespannt sein, welches neue Bundesland zu welcher Streitfrage diese „Rechtswahrung“ beansprucht und vor den Bundesgerichtshof zieht.

Macht dieser „Pferdefuß“ Erwägungen über die Nichtigkeit des EV überflüssig? Ich glaube: Nein. Erstens sind solche Erwägungen von politischem Gewicht, wenn man den E V nicht nur da und dort verbessern, sondern einen neuen oder gründlich revidierten Vertrag will. Zweitens sind nach dem Grundgesetz die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts und gehen den Gesetzen vor. Die Bundesrepublik ist auch nach Wegfall des Partners in der Pflicht, den EV an diesen Regeln zu messen und die Übereinstimmung mit diesen Regeln herzustellen, zu denen auch die Prinzipien des Völkerrechts und wesentliche Inhalte der WKV gehören.

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