nd-aktuell.de / 21.08.1992 / Sport / Seite 16

Empor –wie lange noch?

Eine ziemlich große Schar Architekten, Stadtplaner, Sportfunktionäre, Olympiamacher, Journalisten hörte dem Bezirksbürgermeister von Prenzlauer Berg, Dr. Manfred Dennert, aufmerksam zu. Bei der Veranstaltung „Architektur Werkstatt“ referierte er vor einiger Zeit über die komplizierte Situation im neben Kreuzberg am dichtest besiedelten Stadtbezirk Berlins. Ausgangspunkt waren die geplanten Sportobjekte für Olympia 2 000. „Wir sehen eine große Möglichkeit zur Verbesserung des Breitensports in unserem Bezirk“, so sagte er. „Ich glaube auch, daß man nicht nur die Hand ausstrecken und Geld fordern kann; man muß sich auch darüber Gedanken machen, wie die Mittel für bestimmte Dinge herbeigeholt werden können“, so sprach er. „Im Vordergrund sollten nicht so sehr die Medaillen oder die Siege stehen, sondern das Motto: .Dabeisein ist alles!'“ So schloß er.

Die Vision Olympia 2 000 drängt manchem aus geschwollener Brust und erst recht vor erlauchtem Publikum hehre Worte auf die Zunge. Sie lösen sich in den eigenen vier Bezirks-Wänden in Luft auf. Frag mal nach beim SV Empor, welche. Erfahrungen man dort hat, wollte man den Bürgermeister bei seinen Worten nehmen. Verbesserung des Breitensports? Gedanken machen, wie Mittel für den Sport herbeigeholt werden können? Dabeisein, also Sport für alle? Luftnummern, wird man antworten. Und die Dinge beim Namen nennen. Denn das

Engagement für Olympia 2 000 wird vor allem an der Haltung zum Breitensport gemessen.

Empor - das war einst die größte Sportgemeinschaft in Ost-Berlin. Mit dem Fall der Mauer fiel auch die HO als Trägerbetrieb, und mit Empor ging es bergab. Die Talsohle ist nun durchschritten; im Sportzentrum Czarnikauer Straße trainieren regelmäßig 36 Sportgruppen mit über 500 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Im einzelnen sind das: 4 Kindergartengruppen, 7 Klassen der 19. Grundschule, 10 Frauen-Gymnastikgruppen, 6 Allgemeine Sportgruppen, 7 Artistikgruppen, eine Abteilung Kunstschwimmen und eine Abteilung Kraftsport mit 63 Mitgliedern. Gesagt werden muß auch, daß dieses Empor-Sportzentrum das einzige im Kietz um den Arnimplatz ist und deshalb viel Zulauf hat.

Prima, und wo ist das Problem? Möglicherweise wird demnächst Empor zu Grabe getragen. Der Bürgermeister, der so vollmundig über die Verbesserung des Breitensports redete, und sein Baudirektor Matthias Klipp tun alles andere, als den nahen Tod zu verhindern. Dabei liegt die Möglichkeit vor ihnen.

Der SV Empor war nicht mehr in der Lage, die Monatsmiete für die Sporträume zu berappen. Da fand sich ein Sponsor, der bereit ist, die Verbindlichkeiten für das Objekt zu tragen, außerdem 30000 DM pro

Jahr auf das Vereinskonto zu überweisen und weitere 28 000 DM für die Abteilungen zur Verfügung zu stellen. Stolze 100 000 DM jährlich, vertraglich gebunden für zehn Jahre. Gegenleistung: Nutzung eines Teils der Sporträume (wegen Zahlungsunfähigkeit ohnehin gekündigt) für geschäftliche Zwecke. Der Sportverein ist mehr als einver-: standen, weil dies seine einzige Überlebenschance ist, nachdem Rat, Senat und LSB finanzielle Unterstützung ablehnten. Jedoch: Der Sponsor gefällt dem Bezirksamt nicht, es versagt ihm die Gewerbeerlaubnis.

-Wo Spielbanken als Sponsoren im Leistungssport willkommen sind, läßt sich wohl schwerlich eine moralische Handhabe finden, die Firma SLW-Spielautomaten - um die handelt es sich nämlich - an der Unterstützung des Breitensports zu hindern. SLW handelt durchaus nicht uneigennützig und möchte im einstigen Tischtennissaal das schmucke „Sport- und Spielcasino SV Empor Berlin“ eröffnen. Wen stört's? Den Sportverein am wenigsten (er könnte hier kostenlos Billard und Dart spielen), die Bürger auch nicht, nur das Bezirksamt, das keine „Spielhölle“ möchte und deshalb eine Anti-Rechtslage konstruiert. Eine Gaststätte würde man akzeptieren, doch die wollen weder Sportler noch Bürger, denen das Casino, in dem Jugendliche unter 18 Jahren keinen Zutritt haben

und wo Alkohol verboten ist, sportlich näher liegt.

Bürgermeister Dennert wohnt nahe dem Sportzentrum. „Er war noch nie hier, auch der Baustadtrat nicht“, klagt Vorstandsmitglied Peter Duesterbeck. „Als einziger hat sich der PDS-Fraktionsvorsitzende Michael van der Meer vor Ort umgesehen und versprochen, zu helfen.“ Ein langwieriger Rechtsstreit steht ins Haus, wenn das Bezirksamt an seinem Konstrukt festhält (in allgemeinen Wohngebieten dürfen keine Spielhallen betrieben werden, wohl aber in Misch- und Kernwohngebieten). SLW-Spielautomaten hat bereits einen Kölner Gutachter beauftragt, die Rechtslage zu klären. Wie immer so ein Prozeß ausgehen mag, der Verlierer ist in jedem Falle der Sport. Der Sponsor hat bisher, trotz fehlender Gewerbegenehmigung, dem SV Empor mit 50 000 DM unter die Arme gegriffen. „Aber das geht nicht auf Dauer, ohne daß wir in dem Objekt eine Mark einnehmen“, erklärt SLW-Gesellschafter Gerhard Lehmann. „Bis zum 1. Oktober übernehmen wir noch die Miete, dann müssen wir aussteigen.“ Damit werden auch die Lichter bei Empor ausgehen.

Allzuoft wird dem Sport in der DDR unterstellt, für den Leistungssport alles, für den Breitensport nichts getan zu haben. Empor Berlin hatte einst mehr als 3 000 Mitglieder und keine Existenzsorgen. Aber morgen geht es vielleicht endgültig bergab mit Empor...

WOLFGANG RICHTER