Turbulenzen um die Rentenreform

Nach Patt im Bundesrat weiteres Prozedere unklar

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 2 Min.
In Österreich hat der Bundesrat dem »Budgetbegleitgesetz«, das Rentenkürzungen, Selbstbehalte beim Arztbesuch und den Ankauf von Abfangjägern beinhaltet, überraschend die Zustimmung verweigert. Dass das Gesetzeskonvolut scheitert, ist aber wenig wahrscheinlich.
Dass die zweite Kammer des österreichischen Parlaments, der Bundesrat, Beschlüsse des Nationalrates nicht bestätigt, hat in Österreich Seltenheitswert. Auch in der Länderkammer verfügt die amtierende Rechtskoalition über eine ausreichende Mehrheit, werden doch nur Wien und das Burgenland von Sozialdemokraten regiert. Dennoch ist es am Montagabend nach einer 12-stündigen Marathonsitzung zu einem verfassungsrechtlich fragwürdigen Patt gekommen. Neun von zehn Bundesräten der rechtspopulistischen FPÖ, unter anderem aus Kärnten, der politischen Heimat von Landeshauptmann Jörg Haider, mochten der Regierungsvorlage für die umstrittene Rentenreform nicht zustimmen. Sie verweigerten allerdings auch einem SPÖ-Antrag auf Einspruch gegen das am 11. Juni im Nationalrat beschlossene Gesetz ihre Zustimmung. Dennoch kann das Abstimmungsverhalten als Schuss vor den Bug von Kanzler Wolfgang Schüssel interpretiert werden. Den Hintergrund für das dosierte Rebellentum der FPÖ-Bundesräte bilden zum einen der Zwist zwischen dem derzeitigen Parteivorstand und Jörg Haider, zum anderen inhaltliche Gründe. Mit der Rentenreform will die ÖVP einen Teil ihrer Stammwähler weitgehend schonen. Denn während Arbeiter und Angestellte nach ihrer Pensionierung ab 2004 kräftige Einbußen hinnehmen sollen, wurde eine von SPÖ und FPÖ geforderte Pensionsobergrenze für Beamte nicht in den Gesetzestext aufgenommen. Stattdessen ist viel von »Harmonisierung« der unterschiedlichen Rentensysteme die Rede. Bauern, Gewerbetreibende und Beamte sind im Alter wesentlich besser gestellt als Arbeiter und Angestellte. Das Drängen der FPÖ, auch die privilegierteren Rentenempfänger spürbar zur Kasse zu bitten, wurde von der ÖVP auf die lange Bank geschoben. Die SPÖ will nun den Verfassungsgerichtshof anrufen, um klären zu lassen, was die nicht zustande gekommene Bundesratsmehrheit für das weitere Prozedere bedeutet. Allerdings meinen Rechtsexperten wie der ehemalige SPÖ-Fraktionschef Peter Kostelka, dass nichts Großartiges passieren wird. Der Bundesrat habe eben sein Recht auf Einflussnahme verwirkt. Allerdings muss das Gesetz nun acht Wochen liegen bleiben - in diesem Zeitraum kann der Bundesrat Einspruch erheben. Aber auch wenn es dazu käme, könnte der Nationalrat diesen mit einem »Beharrungsbeschluss« überstimmen.
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