USA wollen Delhis Truppen in Irak sehen

Premier Vajpayee soll allein entscheiden

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Die USA üben Druck auf Indien aus, sich mit einem Truppenkontingent im besetzten Irak zu engagieren. Die Regierung in Delhi zögert mit einer Entscheidung.
Washington lässt keine Gelegenheit aus, sein Interesse an einer indischen Militärpräsenz in Irak zu bekunden. Jüngst konferierte USA-Außenminister Colin Powell am Rande des Regionalforums der ASEAN in Singapur mit seinem indischen Kollegen Yashwant Sinha. Kurz zuvor weilte eine Pentagon-Delegation in Delhi, die den Indern die Übernahme einer hauptsächlich von Kurden besiedelten Region im nördlichen Irak schmackhaft zu machen versuchte. Bei einem London-Besuch vernahm Innenminister Lal Krishna Advani von Tony Blair ähnliche Töne. Die Vajpayee-Regierung scheint nicht abgeneigt zu sein, dem strategischen Partner USA diesen Wunsch zu erfüllen. Zum einen hofft man darauf, mit Aufträgen für den Wiederaufbau Iraks belohnt zu werden. Zum anderen dürfte Delhi daran denken, dass die USA im Gegenzug Pakistan dazu zwingen könnten, den »grenzüberschreitenden Terrorismus« in Kaschmir einzustellen. Ein weiteres Argument wäre Washingtons eventuelle Unterstützung bei der Erfüllung der lange gehegten Absicht, ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates zu werden. Ein vorsichtiger Anfang könnte mit der Entsendung indischer Militärärzte gemacht werden. Dass sich Delhi dennoch mit einer Entscheidung zurückhält, hat mehrere Ursachen. So fordert eine im Mai verabschiedete Parlamentsresolution den Abzug aller ausländischen Truppen aus Irak, womit sich ein indisches Engagement kaum vereinbaren ließe. Außerdem scheint den indischen Militärs der Gedanke nicht geheuer, ihre Einheiten unter dem Oberbefehl des Pentagon operieren zu lassen - zumal in einem Gebiet, für dessen Perspektive keine klaren Konturen zu sehen sind und in dem die mit Indien befreundete Türkei eigene Interessen verfolgt. Unklar ist auch, wie sich ein Militärengagement auf Indiens Ansehen bei Iraks Nachbarn auswirken würde. Zudem hätte die Truppenentsendung wohl innenpolitische Folgen: Schon einmal haben sich indische Friedensbewahrer Ende der 80er Jahre im Norden Sri Lankas die Finger verbrannt. Im nächsten Jahr aber finden Parlamentswahlen statt und die regierende Nationale Demokratische Allianz will mit einer positiven Bilanz antreten. Am vergangenen Sonnabend beschloss die Partei nach intensiven Beratungen, die Entscheidung über einen Truppeneinsatz in Irak allein dem Premier zu überlassen. Die hindu-fundamentalistsche Regionalpartei Shiv Sena schloss sich dem an, brachte aber ihren Widerstand gegen einen Irak-Einsatz zum Ausdruck. Bereits Anfang Juni hatte die oppositionelle Kongresspartei klar gemacht, dass sie eine Stationierung von Truppen in Irak ablehnt, wenn diese nicht unter UN-Kommando stehen oder im Rahmen einer Friedensmission mit UN-Mandat entsandt werden. Mitte Juni einigten sich Regierung und Kongresspartei darauf, eine Entscheidung erst zu fällen, wenn ein »nationaler Konsens« erreicht und Iraks Nachbarstaaten konsultiert seien. Die Kongresspartei möchte, dass sich der Premier auch mit Russland, Frankreich und Deutschland berät. Die endgültige Entscheidung, so Außenminister Sinha, werde »im besten nationalen Interesse« getroffen. Expremier Inder Kumar Gujral lehnte einen Truppeneinsatz in Irak im Hinblick auf eben jenes Interesse ab und erinnerte an ein altes Volkslied: »Liebling, geh bitte nicht nach Basra, lass uns glücklich zu Hause leben.«
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