Präsident Toledos Beliebtheit schwindet

Minister bieten Rücktritt an / Repression erwartet

  • Cecilia Rémon und Roberto Roa, Lima
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Zuerst streikten die Kokabauern, dann Transportarbeiter, Lehrer und Professoren, später die Angestellten der staatlichen Sozialversicherung und schließlich fast der gesamte Justizapparat. Streiks, Demonstrationen und Proteste lassen Perus Präsidenten Alejandro Toledo nicht zur Ruhe kommen.

Seit knapp zwei Jahren ist Alejandro Toledo (57) im Amt, gewählt als Hoffnungsträger nach langen Jahren der Quasi-Diktatur unter Alberto Fujimori, der wegen Korruption und Vetternwirtschaft aus dem Amt vertrieben wurde. Doch Toledo bekommt das Land nicht in den Griff. Er gilt als wankelmütig und er begünstigt in bester peruanischer Tradition Verwandte und Freunde. Ende Mai wusste er nicht weiter - und rief den Ausnahmezustand aus. Mittlerweile sind 85 Prozent der Peruaner der Meinung, Toledos Politik sei gescheitert. Um die politische Talfahrt aufzuhalten, boten sämtliche Minister am Montag ihren Rücktritt an. Insbesondere Wirtschaftsminister Javier Silva Ruete war in die Kritik geraten, nachdem er dem Kongress Steuerreformen vorgeschlagen hatte, die nicht einmal innerhalb der Regierungspartei »Perú Posible« Anklang fanden. Gerüchte über die Zusammensetzung der künftigen Regierung, in die Toledo auch Unabhängige und Mitglieder der Opposition einbeziehen will, füllen schon seit Tagen die Presse. In dem südamerikanischen Land glauben nur wenige, dass ein neues Kabinett die Probleme lösen würde, da der Staatschef selbst als Ursache der Missstimmung gilt. Im Mai hatte sich die Lage zugespitzt, als Streiks im Transportwesen, an Schulen und in der Landwirtschaft das gesamte Land gelähmt hatten. Die Verhängung des Ausnahmezustands in 12 von 25 Provinzen und der Tod eines Demonstranten am nächsten Tag zeigten, dass der Präsident »angesichts der Konflikte die Fähigkeit zur politischen und sozialen Vermittlung eingebüßt« habe, sagt der Politologe Alberto Adrianzén. Im Gegensatz zu den 90er Jahren, als die Regierung sich des Ausnahmezustands bediente, um eine bewaffnete Guerilla zu bekämpfen, habe Toledo diesmal die Armee mobilisiert, um legitimen Protest zu erdrücken, analysiert Adrianzén den Prestigeverlust des Präsidenten. Angesichts der schwindenden Beliebtheit sei Toledo jetzt darauf angewiesen, die Unterstützung der Militärs und rechter Unternehmerkreise zu bewahren. Beide Sektoren tendierten jedoch - wie einst das Fujimori-Regime - zu autoritären Maßnahmen gegen soziale Protestbewegungen, befürchtet Adrianzén. Einigkeit besteht darin, dass Toledo im Wahlkampf viel zu viel versprochen hatte. Kaum eines seiner hochgesteckten Ziele hat er später erreichen können, was ihm insbesondere die ärmeren Schichten nachtragen. Jetzt versuchen seine Unterhändler, mit den kämpferischen Gewerkschaften bezahlbare Kompromisse auszuhandeln. Mit den 350000 Lehrern der Gewerkschaft SUTEP gelang dies Anfang Juni: Bis 2006 sollen sich die Lehrergehälter verdoppeln. Doch das Problem ist noch lange nicht gelöst. Angesichts der Tatsache, dass Peru nur 2,2 Prozent seines Bruttoinlandprodukts in die Erziehung investiert, beschloss ein Teil der Lehrerschaft, den Ausstand für unbestimmte Zeit fortzusetzen. Auch wenn die Streiks inzwischen abgeflaut sind, bedeutet dies für den angeschlagenen Präsidenten keine Ruhepause. Jederzeit können neue Proteste aufflammen, und die Forderung nach Aufhebung des Ausnahmezustands, der vorerst bis zum 27. Juni läuft, findet breite Unterstützung. Toledo selbst versucht die Stimmung durch flotte Sprüche zu verbessern. »Ein Spiel dauert 90 Minuten und wir werden gewinnen«, tönte der erklärte Fußballfan bei der Verkündung eines Regierungsprogramms zum Bau neuer Sportstätten. Den Rücktrittsforderungen der Opposition hielt er entgegen: »Einige spielen mit schmutzigen Tri...

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