Deutschland will sich endlich eine eigene Filmakademie gönnen

Kulturstaatsministerin Weiss und Bundestagsausschuss sind sich einig

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Abend des 6. Juni erlebte Wolfgang Becker bange Stunden. Schon seit Tagen wusste der Berliner Regisseur um die Auszeichnung mit dem Deutschen Filmpreis für Ausstattung, Musik und Kameraarbeit für seinen Film »Good Bye, Lenin!«. Würde die Jury ihn nun übergehen, um sich den Vorwurf zu ersparen, einen Film mit einem Preisregen zu überhäufen? Beckers Bedenken wurden im Laufe der Gala zerstreut. Er gewann den Regiepreis samt 10000 Euro und seine Berliner Produktionsfirma X-Filme kann 500000 Euro in die Produktion eines neuen Films stecken. So sieht es auch das neue Filmförderungsgesetz vor, das in diesen Wochen im Bundestag zur Beratung ist. Und so soll es auch bleiben, wenn es nach dem Willen der Initiatoren zur Gründung einer Deutschen Filmakademie geht, die ihre Pläne wochenlang als geheime Kommandosache und hinter dem Rücken einer Vielzahl von Filmemachern schmiedeten. Am Montag stellten sie die Satzung dem Kulturausschuss des Bundestages vor. Die Abgeordneten konnten sich kleine Rügen nicht verkneifen, dass sie erst jetzt in die Details eingeweiht wurden, obwohl Kulturstaatsministerin Christina Weiss schon zur Eröffnung der Berlinale angekündigt hatte, die Akademie kommt. Geboren wurde die Idee im Juni des Vorjahres von Bernd Eichinger. Weniger aus Frust über die bisherigen Juryentscheidungen, als aus dem Willen, dem Preis eine bessere Legitimation in der Branche zu geben und mit anderen Ländern gleichzuziehen. In Frankreich, Großbritannien und den USA ermittelt und verteilt die Filmindustrie ihre Preisträger selbst und so sollte es künftig auch in Deutschland sein. Doch ganz so wie in Los Angeles, London oder Paris wollten es die Initiatoren nicht. Mit den Oscars, Cesars oder Bafta-Awards sind keine finanziellen Zuwendungen verbunden. 250000 Euro können Produzenten der nominierten Filme für eine neue Produktion einplanen. Dieses Geld will künftig die Akademie mit den Statuetten vergeben. »Ich bin nicht der Vormann dafür, dass es die Akademie gibt und das Geld ist weg. Das kann ich meinen Kollegen nicht begreiflich machen«, konterte Bernd Eichinger die Bedenken von Abgeordneten, das Geld aus der Hand zu geben. Den Vertretern des Parlaments schloss sich Christina Weiss an. Sie könne sich vorstellen, das Geld in andere Filmfördertöpfe des Bundes einfließen zu lassen. Dass die Summe von 2,8 Millionen Euro, die jedes Jahr mit den Lolas verteilt wird, nur an innovative und experimentelle Filme verteilt wird, wie es in der Anhörung von Regisseuren gefordert wurde, wollte die Kulturstaatsministerin nicht mittragen. Kleine, mutige Produktionen kamen schon in den Vorjahren mit einigen Ausnahmen zu kurz. Selten schafften Arthouse-Filme wie »Die innere Sicherheit« den Sprung aufs Siegerpodest.. Ebenso hatte absoluter Mainstream wie »Der Schuh des Manitu« oder die Otto-Filme keine Chance bei den Juroren. Sie beugten sich meist dem Zwang zum Konsens und dem Wunsch, den Spagat zwischen Kunst und Kommerz hinzukriegen. Dabei ging sie oft an sperrigen Filmen völlig vorbei wie jetzt an »Der alte Affe Angst« von Oskar Roehler. Dass sich dies künftig ändert, wenn die ehemaligen Preisträger und Nominierten die Sieger ermitteln, kann keiner garantieren. Warum dann aber eine Akademie, wenn sie mit Rücksicht auf ihre Klientel auch ansonsten alles beim Alten lassen will und historisch gewachsene Ungerechtigkeiten nicht abbauen will? Mit sechs Nominierungen für abendfüllende Filme sowie zwei in der Sparte Kinder- und Jugendfilm ist der Spielfilm deutlich überrepräsentiert, während sich sie Dokumentarfilme mit zwei Nennungen begnügen müssen. Dieser Ansatz bietet zumindest Diskussionsstoff für die kommenden Wochen, obwohl die Gründung der Filmakademie beschlossene Sache zu sein scheint. Kulturstaatsministerin und Initiativgruppe haben die Satzung abgestimmt und so war es kein Wunder, dass Dokumentarfilmer Thomas Frickel die Veranstaltung im Kulturausschuss als Spiegelfechterei sieht. Einziger Hinderungsgrund für die Akademiegründung könnte das Geld sein. Neben dem Erhalt der Prämien ist noch völlig offen, ob sie mit einem Jahresbeitrag von 250 Euro ihrer Mitglieder, deren potenzielle Zahl auf rund 2500 geschätzt wird, und Sponsorengeldern alleine bestehen und die Filmpreisgala ausrichten kann. Die Veranstaltung im Tempodrom kostete in diesem Jahr rund 1,5 Millionen Euro, von denen 153000 vom Bund kamen. Die will die Akademie übernehmen. Weitere 175000 Euro spendierte das Filmboard Berlin-Brandenburg und 200000 die FFA. Auf die müssten die Organisatoren auch verzichten, wenn sie es ernst meinen mit dem Versprechen, alles aus eigener Tasche zu zahlen. Die Hauptfinanzierungsquelle der Gala ist und bleibt der Verkauf der Senderechte. Der Betrag, den die ARD überwies, machte rund die Hälfte des Gesamtbudgets aus. Ob er so aufgestockt werden kann, dass er wie in Frankreich auch die Arbeit der Akademie über das Jahr zum Großteil finanziert, wie es sich Mitinitiator Ulrich Felsberg wünscht, ist angesichts knapper Kassen der Sender überaus zweifelhaft.
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