Rockerband als kriminelle Vereinigung

Auftakt zum »Landser«-Verfahren vor dem Berliner Kammergericht

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 2 Min.
Ungerührt lauschen die drei Angeklagten Michael R. (38 Jahre), Rädelsführer, Texter und Sänger, Andrè M. (35), Bassist sowie Christian W. (27), Schlagzeuger, im Kammergerichtssaal den Vorwürfen der Bundesanwaltschaft. Nicht so sehr ihre barbarische Musik und die widerlichen Texte sollen das verbrecherische ihres Tuns belegen. Schwerpunkt der Anklage ist der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die drei Mitglieder der neonazistischen Rockgruppe »Landser« - alle einschlägig vorbestraft - sollen sich als terroristische Bande zusammengeschlossen und aus dem Untergrund versucht haben, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu zerstören. Bundesanwalt Wolfgang Siegmund ist davon überzeugt, dass die Nazirocker konspirative Organisationsstrukturen entwickelt haben. Dafür nannte er folgende Fakten: Unter Verzicht auf öffentliche Auftritte seien die CDs im Ausland wie USA und England produziert, dann in geheimen Lagern in Holland zwischengelagert, die Aufdrucke in Polen und Tschechien angefertigt und über ein getarntes Verteilernetz in Deutschland vertrieben worden. »Der hohe Organisationsaufwand und die hohe Konspiration sprechen dafür, dass eine kriminelle Vereinigung bestand«, sagt der Bundesanwalt über die 1992 gegründete Band. Doch solch eine Anklage hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Die Verteidiger der Nazi-Musikanten jedoch glauben, dass gerade der Vorwurf der kriminellen Vereinigung nicht nachweisbar sein wird. »Das ist rechtlich umstritten. Bisher wurde noch nicht in solcher Sache gegen eine Band ermittelt«, sagte einer der drei Verteidiger, Arnold Wenndorff. Unbestritten sind die volksverhetzenden, diskriminierenden und zu Mord und Totschlag aufrufenden Texte. Würden die »Landser« nur für ihre verbalen Gemeinheiten bestraft, läge das Strafmaß weit unter einer Verurteilung wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Über die Mitwirkung des Verfassungsschutzes bei Herstellung und Vertrieb der Hetz-CDs wollten sich Anwaltschaft und Verteidigung nicht äußern. Aus Sicht von Wenndorff ist nach bisheriger Erkenntnislage ihr Anteil »eher gering«. Mirko H. vom Bundesamt und Toni St. vom Brandenburger Verfassungsschutz standen bereits wegen ihrer Verstrickungen vor Gericht. Der erste Prozesstag endete mit der Verlesung der Anklage und der Bekanntgabe des »Prozessfahrplans«. Die drei »Landser«, die sich unter Auflagen auf freiem Fuß befinden und von bulligen, kahlköpfigen Bodyguards hinaus begleitet wurden, verweigerten die Aussage. Das Urteil soll in der letzten Augustwoche gesprochen werden. Heute werden erste Polizeizeugen zu Wort kommen.
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