nd-aktuell.de / 23.07.2003 / Wirtschaft und Umwelt

Distanzierte Väter, klammernde Mütter

Hans-Joachim Maaz über den Lilith-Komplex

Nils Floreck
In seinem neuen Buch »Der Lilith-Komplex« entdeckt der ostdeutsche Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz die Mütter. Dabei fordert er die Frauen mit Kindern auf, mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Adam und Eva kennt fast jedes Kind. Dass Eva nicht die erste Frau Adams war, wissen wiederum nur die wenigsten. Denn Gott schuf den Menschen als Mann und Weib: Adam und Lilith. Doch Lilith war selbstbewusst und wollte sich Adam nicht unterordnen. Sie floh, wurde dafür bestraft und von den männlichen Chronisten fast vollständig aus der Bibel verbannt. Adam aber, der Lilith mit seiner Herrschsucht fortgetrieben hat, wird dafür auch noch belohnt: mit Eva, einer Frau, die seine Führungsrolle anerkennt. Diese Geschichte ist der Ausgangspunkt in dem neuen Buch des Psychoanalytikers Hans-Joachim Maaz. In aller Regel, so seine These, werde der Lilith-Aspekt in den Frauen verleugnet: Gleichwertige und sexuell aktive Frauen, die nicht auf den Kinderwunsch fixiert sind, seien nicht gewünscht. Für Maaz ist das ein grundlegendes Problem der Gesellschaft, das von Generation zu Generation weitergegeben werde, wenn sich die Menschen nicht vom Lilith-Komplex befreien würden. Denn die Verdrängung des aktiven Teils in den Frauen führe dazu, dass Mütter ihre Kinder umso mehr spüren lassen würden, wie belastend sie manchmal sind. Die Entlastung der Mütter durch die Väter aber kommt bei Hans-Joachim Maaz zu wenig vor. Er bleibt bei der klassischen Rollenverteilung und begründet sie zum Beispiel damit, dass Väter, die sich intensiv um ihre Kinder kümmern, dies nur tun würden, weil sie Defizite hätten, mit denen sie nicht umgehen könnten. Hingegen plädiert der Autor für eine Stärkung der Mütterlichkeit in unserer Gesellschaft und fordert sie auf, die Mütter bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Denn, so Maaz, Kinder würden erhebliche Schäden erleiden, wenn die Trennung von der Mutter zu früh erfolge. Nun ist der Kontakt zur Mutter ohne Frage gerade in den ersten Lebenswochen wichtig. In seinem Buch aber schreibt Maaz selbst, dass Kinder vor allem eine Bezugsperson bräuchten, die ihnen Wärme, Vertrauen und Nähe geben kann. An keiner Stelle begründet er, warum diese Person unbedingt die Mutter sein sollte und nicht der Vater. Dabei werden die meisten Kinder bis zum 14. Lebensjahr vor allem von Frauen aufgezogen und betreut. Die Väter bleiben auf Distanz und treten oftmals erst auf den Plan, wenn sie mit den Kindern etwas »anfangen«, etwas unternehmen können. Hans-Joachim Maaz thematisiert dieses Problem, doch auf eine Weise, die aus dem 19. Jahrhundert zu stammen scheint: Der Vater sei für das Kind das Fremde, das Neue, auch sei er sein Lehrer und Meister. Aufgabe der Väter sei es, die symbiotische Beziehung zwischen Mutter und Kind aufzulösen. Damit konstruiert der Autor einen Gegensatz zwischen Vater und Mutter, der einer gemeinsamen und gleichwertigen Betreuung des Kindes eigentlich nur im Weg stehen kann. Der Ausweg, den Maaz vorschlägt, ist symptomatisch für seine Fixierung auf die Mütter: Er fordert die Vereinigung von Eva und Lilith. Es ist die Forderung eines Mannes an die Frauen, »bessere« Mütter zu werden. Doch die von Maaz beklagte Überlastung der Mütter ist so nicht aufzulösen. Würden sich die Väter mehr um ihren Nachwuchs kümmern, könnten die Frauen auch eigene Wege gehen. Angesagt wären also gleichberechigte Elternschaft und paritätische Aufteilung der Betreuungsarbeit. Hans-Joachim Maaz, Der Lilith-Komplex - Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit, 201 Seiten, 14,90 Euro.