nd-aktuell.de / 31.12.1992 / Kultur / Seite 13

Neujahrskater brauchen Fisch

Um Silvester hat der „Kater“ Hochsaison. Die meisten können ihn und die damit verbundenen, allerdings selbst eingeflößten Leiden beschreiben. Typische Merkmale nach durchtränkter Nacht mit reichlich Wein, Sekt, Schnaps und Bier und häufig noch mit Nikotininhalation - direkt oder indirekt - sind gewöhnlich: Kopfschmerzen, gereizte Augen, Müdigkeit und ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend.

Da setzt sich oft die gute Laune zum Ausklang des alten Jahres am ersten Tag des neuen nur schwerlich fort. Warum das so ist, können Ernährungswissenschaftler, gewiß nicht nur sie, leicht erklären: Der Organismus leidet unter Mangelerscheinungen. Er hat während der Feier zuviel Mineralien, Spurenelemente und Vitamine verbraucht. Insbesondere fehlt es dann an Ma-

gnesium, Salzen, Phosphor, Zink, weiteren Elementen und Vitamin A.

Routiniers im Feiern versuchen einem solchen „Kater“ mit Fisch auf dem Tisch schon vor der Feier entgegenzuwirken. Weil bekanntlich Fisch schwimmen will, verträgt er sich mit vielerlei Getränken. Und mit denen ist zum Jahreswechsel ja zu rechnen. Favorit der Deutschen - nicht nur zwischen Silvester und Neujahr - ist der Hering. Ein Heringstopf beispielsweise ist eine ebenso delikate wie feine Speise. Nicht nur als „Katerfrühstück“, sei es als Salzoder als saurer Hering, als Bismarckhering oder als Rollmops. Sie sind überall als Halbkonserve bereits eingelegt und verzehrfertig zu haben. Wer Wert auf eigenen Stil legt, bereitet frischen Hering selber zu - variantenreiche Rezepte dafür gibt es in Fülle.

Das Geheimnis dieses „Kater“-Wundermittels ist schnell gelüftet: Seefisch, speziell Hering, enthält all jene Mineralien, Vitamine und Spurenelemente, die beim Feiern im Hochprozentigen „ertrunken“ sind. Fisch, zu Silvester genossen, ergänzt die Vorräte noch während der Nacht.

Das Nahrungsmittel Fisch nur als „Alkoholbremse“ zu verstehen, wird seiner Bedeutung für eine gesunde Lebensweise nicht gerecht. Steigende Beliebheit das ganze Jahr hindurch spricht aus dem Verbrauch an Fisch und Fischwaren. Gingen 1982 rund 650 000 Tonnen aus den Netzen in die Pfannen, waren es 1991 - in der vergrößerten Bundesrepublik - 1,1 Millionen Tonnen. Pro Kopf ist das ein Mehrverbrauch um 3,6 kg auf 14,2 kg. Der Weltdurchschnitt liegt bei 13 kg Fisch pro Kopf.

WERNFRIED HOHMANN