nd-aktuell.de / 04.01.1993 / Politik / Seite 3

Dorfhunde füllen den Stadtsäckel

geht für die Stadt Frankfurt / Oder um i50[000 Mark, das wären etwa eine Mark pro Einwohner,. Einnahmen in dieser Höhe verspricht sich eine Mehrheit der Stadtverordneten von der jüngst beschlossenen neuen Hundesteuersatzung. Es geht für die Hundehalter um 2,50 Mark monatlich. Um diesen Betrag soll Bello, ob Hof- oder Schoßhund, ab 1. Januar 1993 vom örtlichen Fiskus verstärkt geschröpft werden. Genauer gesagt: Herrchen oder Frauchen, und deren ländliche Fraktion gibt ob dieser Zumutung die Loyalität zum städtischen Gemeinwesen auf.

Günter Tabor (58) ist gebürtiger Berliner, aber nach 37 Jahren Leben im 900-Einwohner-Ort Booßen gelernter Dorfmensch. Seit Mai 1991 vertritt der parteilose frühere Sportlehrer als ehrenamtlicher Bürgermeister die Interessen der Booßener, die schon 1974 zusammen mit acht anderen Gemeinden und insgesamt 5 000 Menschen der Stadt Frankfurt einverleibt worden sind. Daß dies zumeist ebensowenig freiwillig geschah wie einige Vereinigungen durch die nun durchgeführte Gemeindereform, betont Tabor bei jeder Gelegenheit.

Die Sache mit der Hundesteuer hat nämlich das Faß des Zorns zum Überlaufen gebracht: „Wir sind erbost, daß die Städter uns nicht verstehen.“ Ein Hund gehöre „seit Jahrtausenden zur Wirtschaft dazu“, schrieben aufgebrachte Booßener Bürger in einem offenen Brief. Für den Gesetzgeber gilt ein Hund dagegen als „Luxus“, der folglich einer „Luxussteuer“ unterworfen ist. Ausnahme: Wenn das zu bewachende Anwesen mindestens 200 Meter von der nächsten menschlichen Behausung entfernt liegt.

Obwohl die Boößener. ein bißchen dichter' -beieinander wohnen, „haben sich viele in letzter Zeit einen Hund angeschafft“, so Günter Tabor. Diese Bemerkung spielt Frankfurts Finanzausschuß-Vorsitzendem Bernhard Wündisch (parteiloses Mitglied der PDS-Fraktion) prompt ein Gegenargument in die Hand: Das infolge der rasant gestiegenen Kriminalität gewachsene „Schutzbedürfnis besteht auch in der Stadt“.

Doch die Eingemeindeten sehen sich auf der Schattenseite des Stadt-Land-Gefälles: Während auf Frankfurter Territorium der erste Hund 120 DM pro Jahr kosten soll, werde in benachbarten Orten lediglich rund ein Sechstel der Summe verlangt. Rechtzeitig vor dem Jahreswechsel drohten daher Ortsteil-Bürgermeister mit Steuerflucht. Man könne ja, so Günter Tabor, seinen Vierbeiner dauerhaft

als „Gast-Hund“ etwa im nahen Müllrose anmelden...

Wenig Trost kann Reiner Voltz von der Bundespressestelle Vereins für Deutsche Schäferhunde seinen ostdeutschen Neumitgliedern spenden: In den letzten zehn Jahren habe sich die Hundesteuer in den Altbundesländern verdoppelt. Manche Städte verlangten Spitzensteuersätze bis 200 DM, auf dem Land seien 50 DM üblich. An der Pferdehaltung verdient der Staat übrigens keinen Pfennig.

Daß die Hundesteuer nichts mit der Beseitigung des Hundedrecks oder einer Dämpfung der Lust am Hund zu tun hat, belegt schon das gegeivläufige Stadt / Land-Gefälle in puncto „Hundedichte“: In einer Stadt wie Berlin leben 40 Hunde auf 1 000 Einwohner, in Booßen liegt die Quote bei 133 / 1 000. Tatsächlich sind es noch viel mehr, denn Bürgermeister Tabor schätzt, daß ein Drittel der ortsansässigen Hunde „gar nicht angemeldet“ worden ist.

Insgesamt leisten die Hundehalter einen 0,02 % igen Beitrag zum Gesamtsteueraufkommen der Bundesrepublik. Dennoch wird die Hundesteuer, anders als einige jüngst gestrichene „Bagatellsteuern“, gewiß nicht abgeschafft: Denn nach Abzug der Verwaltungskosten erwirtschaftet Bello immerhin einen republikweiten Steuer-Jahresertrag in Höhe von 40 Millionen Mark.

Zur Linderung der Last regte der Verein für deutsche Schäferhunde, so Sprecher Voltz, einen „Rabattsatz für Hunde“ an, „die nicht in Schadensfälle verwickelt sind“. Also eine fiskalische Belohnung für nicht-bissige Hunde. Unterdessen drohten einige der Frankfurter Orts-Bürgermeister mit Rücktritt, und Günter Tabor äußert keß, die Vorsteher der Dörfer hätten sowieso „erwogen, uns als Gerrieihdbverband zusammenzuschließen“ - und von der Stadt abzuspalten.

Natürlich ist der skurrile Hundesteuer-Streit ein Stellvertreter-Krieg. Die Dörfler fühlen sich ausgenutzt und fremdbestimmt. Booßen etwa, beklagt sich Tabor, sei „nur eingemeindet worden, weil sie Platz für die Mülldeponie brauchten“ Mit der im Gegenzug erwarteten Verbesserung der örtlichen Infrastruktur einschließlich Kanalisation sei es den Städtern dann aber gar nicht eilig gewesen. Anderen Dörfern fehlt sogar die Straßenbeleuchtung.

So liefern die Oderstädter und ihre unzufriedenen Geschwister vom Land ein treffliches Beipiel jener Zwistigkeiten, die nach manch undurchdachter Fusion im Rahmen der Gemeindereform das Land überziehen werden.

MARCEL BRAUMANN