nd-aktuell.de / 04.01.1993 / Brandenburg / Seite 5

Leere Wohnungen nicht fiir Menschen?

Rechtsextreme Gewalt richtet sich gegen die schwächsten der Gesellschaft, belegt wird diese These durch die Mordopfer und Verletzten. Unter den Toten im vergangenen Jahr befanden sich vier obdachlose Männer.

Der Weg auf die Straße geht schnell, viel zu schnell. Erwerbslosigkeit, Wohnungslosigkeit, Scheidung r- bevor die Probleme realisiert werden, werden die Betroffenen von der Straße geschluckt. Hilfe ist kaum zu erwarten. Wohlfahrtsverbände und Kirchen stellen im..Winter Wärmestuben und Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung, doch diese können nicht einmal annähernd die Not der Wohnungslosen, wie sie im Beamtendeutsch genannt werden, lindern.

Mit ihren Montagsdemos wollen die Neuköllner jetzt für Obdachlose Stellung beziehen. Statt einem Marsch durch den Kiez sollen drei Kundgebungen abgehalten werden, damit die Redebeiträge nicht untergehen. „Obdachlosigkeit wird durch die massiven Mieterhöhungen im Kiez verstärkt, und sie kann jeden treffen“, stellt Karsten Heinrich, einer der Organisatoren der Montagsdemo fest.

Obdachlose gehören in Neukölln immer mehr zum Stadt-

bild, am U-Bahnhof Hermannplatz mit Durchgang zum Konsumtempel sitzen mehrere Männer und trinken Schnaps, billigen Fusel gegen die Kälte. Beachten tut sie kaum jemand, selten bleibt mal einer stehen und gibt ihnen Geld oder Zigaretten. Dagegen kommt es öfter vor, daß sie beschimpft werden, „früher hät's sowas nicht gegeben“, seien noch die harmlose-

sten Sprüche laut Frank P mit Punker-Frisur. „Doch, wo soün wa denn sonst hin“, fragt er ratlos.

Die Organisatoren der Montagsdemonstrationen würden gern die Hausbesitzer in die Pflicht nehmen und leerstehende Wohnungen Obdachlosen zur Verfügung stellen. Leere Wohnungen gibt es auch in Neukölln genug, und Kar-

sten Heinrich ergänzt: „Wie heißt es doch so schön im Grundgesetz: ,Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll -zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.'“