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  • Kultur
  • Im Fernsehen: Spezial-Rutsch in das neue Jahr

Lederhose und Groschenroman

  • Peter Hof
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie mache ich aus einer beliebigen Fernsehreihe ein Festtagsereignis? Indem ich an den Titel die Kennzeichnung „Spezial“ anhefte: „Dingsda“ als „Euro-Silvester-Spezial“, „Gailtalerin-Spezial“, „Alles Nichts Oder?!-Spezial“ und „Mann-o-Mann“ als „Jahresfinale 1992“. Das machte diese Sendungen weder besser noch kurzweiliger, gab ihnen aber doch eine gewisse Aura.

Ansonsten präsentierte sich der letzte Fernsehabend des Jahres 1992 in zu Herzen gehender Armseligkeit mit angestaubten bundesdeutschen Filmlustspielen (alle Kanäle), Uraltsketchs (ARD), Ausschnitten aus Georg Preusses Mary-Programm „Sternschnuppen“ (ZDF) und einem „Silvesterstadl“ mit Karl Moik (ARD).

Der Lederhosenmuffel fand nur bei ORB eine Programmalternative. Die Potsdamer führen erfreulicherweise eine deutsche Fernsehtradition fort: den kabarettistischen Abschied vom „alten Jahr“. Der nannte sich in den Sechzigern und Siebzigern „Schimpf vor Zwölf“, kam damals von der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ und wurde, wie das Fernsehkabarett generell, inzwischen beerdigt. Silvester 1989 nahm der Deutsche Fernsehfunk diese Tradi-

tion mit dem „Scharfen Kanal“ auf, der vor einem Jahr mit dem DFF sein Ende fand. Erfreulich also, daß der ORB gemeinsam mit dem Berliner Kabarett „Distel“ an solch guter Gewohnheit wieder anknüpft. Die Zeit schreit in der Tat nach Satire. „Wir haben uns übernommen“ hinterfragte die gegenwärtige Befindlichkeit der Ostler. Denunziantentum, Opportunismus und faschistoide Gesinnung wurden satirisch vorgeführt, ältere Nummern paßten nahtlos in den aktuellen Rahmen. Wir sind wohl in mehr als zwei Jahren Einheit nicht sehr weit gekommen!

Angesichts der sonstigen Programmödnis war es sicher die beste Entscheidung, mit der „Schmidt-Mitternachtsshow“ (in allen Dritten, selbstredend ohne Bayern) schräg und verrückt ins neue Jahr zu rutschen. Die Sendung störte die heimische Silvesterfeier nicht, man konnte beliebig aus- und“ wieder einsteigen. Der ORB hatte sogar noch für angemessene komische Überleitung vom Kabarett zum Varietl gesorgt - in einem „aktuell-special“...

Das Samstagabendprqgramm eröffnete das ZDF mit einer neuen Reihe. „Alles nur ein Spiel“ bringt Schauspieler-Specials. Als Entree' spiel-

te Evelyn Hamann zwei Kurzdramen (dazwischen ein Commercial-Break), „Rollentausch“ und „Hoch soll sie leben“. Im ersten war sie eine verkannte Schauspielerin, die als Souffleuse unterfordert ist und von ihrem Lottogewinn der unfähigen Protagonistin (ebenfalls von Frau Hamann

fespielt) die Hauptrolle abauft, im zweiten eine gestreßte Kunsthändlerin, die mit Hilfe eines Straßenmusikanten (Martin Semmelrpgge) ihrer eigenen Geburtstagsparty entflieht. Evelyn Hamann ist eine sehr gute Schauspielerin, das hat sie oft genug bewiesen. Neue Seiten ihres Talents wurden ihr in diesen beiden Episoden nicht abverlangt.

Mit der „Donauprinzessin“, einer neuen Serie, will das ZDF offensichtlich dem „Schloß am Wörthersee“ Konkurrenz machen. Der Pilotfilm jedenfalls war nach dem gleichen Rezept wie das privatkommerzielle Elaborat angerichtet: Schöne Menschen in Liebesnöten vor schöner Landschaft bei geistiger Nulldiät. Damit hatte Produzent Wolfgang Rademann schon seinerzeit beim „Traumschiff“ Erfolg - ein weiterer Schritt zur Annäherung der Fernsehserie an das Groschenheft.

PETER HOFF

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