nd-aktuell.de / 09.08.2003 / Politik
»Die Generale lieben Napalm«
US-Marines setzten im Irak-Krieg Bomben ein, die es angeblich gar nicht gibt
René Heilig
Monatelang bezeichnete das Pentagon jeden als Lügner, der behauptet hat, dass die US-Truppen im jüngsten Irak-Krieg Napalm einsetzten. Nun rechtfertigte das Verteidigungsministerium den Einsatz dieser international geächteten Munition als notwendig und legal.
Colonel Randolph Alles, Chef der auf der Miramar-Marine-Base stationierten 11. Fliegergruppe sagt: »Unglücklicherweise waren dort Menschen, man konnte sie auf den Cockpit-Bildschirmen sehen.« Es seien irakische Soldaten gewesen, die da umkamen. »Es ist keine gute Art zu sterben.«
Alles beschrieb gegenüber der »San Diego Union Tribune« einen Napalm-Angriff seiner Piloten. Die warfen - bevor die Marines in die irakische Hauptstadt eindrangen - in der Nähe des Saddam-Kanals und des Tigris Dutzende dieser Bomben ab. Wie viel Gegner dabei umgebracht worden sind, mag Alles nicht schätzen. Er hat - vermutlich nicht wissend, dass die USA offiziell bereits im Jahr 2001 alle Napalmvorräte vernichtet hatten - ohnehin zu viel gesagt.
Napalm wurde in den 40er Jahren in den USA entwickelt. Zur Herstellung werden Aluminiumsalze der Naphthen- und der Palmitinsäure als Verdicker in Kohlenwasserstoffen eingesetzt. Das entstandene feste Gel verbrennt langsam, ist nur schwer zu löschen, neigt daher zur Ausbildung von Flächenbränden und hat auf Lebewesen verheerende Auswirkungen. Insbesondere die Haftfähigkeit auf der Haut macht diese Brandbomben so tückisch. Selbst wenn Betroffene überleben, sind sie zeitlebens von Krebsgeschwüren bedroht. Im Vietnamkrieg setzen die US-Militärs über 200000 Tonnen des mörderischen Stoffes ein. Auch im Golfkrieg 1991 wurden Napalmbomben abgeworfen. Danach verpflichteten sich die meisten Staaten, das Zeug zu vernichten. Der Grund: Die Waffe wirkt unterschiedslos gegen Militärs wie Zivilisten, verursacht unnötige Leiden und ist daher völkerrechtswidrig.
Nun jedoch kam heraus, dass Flugzeuge der US-Marineinfanterie Bomben vom Typ MK 77 - jede wiegt 500 Pfund - sowohl gegen einen Beobachtungsposten auf dem Safwan-Berg an der irakisch-kuwaitischen Grenze wie auch vor Bagdad abgeworfen haben. Auch bei Numaniyah, einer Schlüsselstellung 40 Kilometer vor der Hauptstadt, klinkten US-Jagdbomber Anfang April diese MK 77-Bomben aus. Sie sind eine Weiterentwicklung der von den USA im Vietnamkrieg eingesetzten Napalm-Kanister M 74. Beide Arten trudeln nach dem Abwurf ungelenkt ins Zielgebiet und töten auf Flächen, die groß wie fünf Fußballfelder sind, wahllos.
Diese Bomben, so sagte ein Pentagon-Vertreter am Donnerstag in Washington, seien ein geeignetes Mittel, um mit einem »schwierigen Feind« umzugehen und zugleich »das eigene Leben zu bewahren«. Es gebe keine internationale Konvention, die den Einsatz dieser Munition verbiete. Schließlich handelt es sich nicht um Napalm- sondern um so genannte Feuerbomben. John Pike, ein international geachtete Militärfachmann und Chef von GlobalSecurity, kommentiert: »Man kann es beliebig anders nennen, aber es ist und bleibt Napalm.«
Das Pentagon reagiert auf die Anwürfe zynisch. Ein Beamter sagte in Mikrofone: »Mir ist keine Methode bekannt, den Feind auf humane Art und Weise zu töten.« Der Militärtheoretiker Bernard Trainor, einst Generalleutnant der Marines, betont: »In Vietnam habe ich das Zeug ganz alltäglich benutzt. Ich habe keine moralischen Beklemmungen gegen den Einsatz. Es ist nur eine andere Art von Waffe.« Das sehen Trainors Nachfolger nicht anders. Denn sie nahmen diese andere Art von Waffen als eine ganz normale Waffe mit in den Krieg. So wie tückische Clusterbomben. So wie Chemie-Waffen, mit denen man den Häuserkampf um Bagdad führen wollte.
Es gibt Belege dafür, dass die US-Militärs auch künftig Napalm-Bomben einsetzen. In den kommenden zwei Jahren werden die Arsenale wieder aufgefüllt. Bereits im Februar, genau sechs Wochen vor dem Überfall auf Irak, bestellte man nach der Budget-Bestätigung durch den US-Kongress weitere 1000 »Feuerbomben«. Marines-Oberst Alles kommentiert: »Die Generäle lieben Napalm. Es hat einen großen psychologischen Effekt.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/39675.die-generale-lieben-napalm.html