nd-aktuell.de / 21.01.1993 / / Seite 8

Repressionen auch in den Reihen der SED

Auch in den Reihen der SED wurden Repressionen eingeleitet. Von 1948 bis 1952 sank infolge härterer Aufnahme-Prozeduren, von Parteiaustritten und Mitgliederüberprüfungen („Säuberungen“) die Zahl der SED-Mitglieder von zwei auf 1,2 Millionen. Gegen Politbüro-Mitglieder und leitende Parteifunktionäre wie Paul Merker, Leo Bauer, Bruno Goldammer, Willy Kreikemeier, Lex Ende und Maria Weiterer wurden Parteiverfahren durchgeführt. Einige der Ausgeschlossenen wurden auch inhaftiert. In zwei Fällen wurde an Schauprozesse gedacht, was jedoch nach Stalins Tod fallen gelassen wurde. Vorgeworfen wurde den Genannten die Bekanntschaft mit Noel H. Field, der während des Krieges in Frankreich und in der Schweiz im Auftrag einer christlichen amerikanischen Flüchtlingshilfsorganisation gearbeitet hatte und der der Arbeit für den USA-Geheimdienst bezichtigt wurde.

In das Räderwerk der Repression gerieten vor allem auch viele der SED-Mitglieder, die bis 1946 der SPD angehört hatten, oder Sozialdemokraten, die nicht in die SED eingetreten waren. Etwa 5000 Sozialdemokraten wurden von deutschen und sowjetischen Gerichten verurteilt. 400 von ihnen starben in der Haft. Schädlich wirkte sich auch Stalins These von der ständigen Verschärfung des Klassenkampfes aus. Im Auftrage der SED verurteilten Gerichte Bürger wegen politischer Lappalien zu hohen Gefängnisstrafen. Allein 1953

mußten 18 700 ungerechtfertigt ergangene Urteile revidiert werden.

Typisch für das, was bedeutungsvoll Strategie und Taktik der Partei genannt wurde, war das überhastete Setzen von immer neuen Reifestufen und das Stellen von Aufgaben, die nicht mehr mit dem Inhalt der gerade in Kraft gesetzten Verfassung in Übereinstimmung gebracht werden konnten. So führte die SED ohne demokratische Vorbereitung an der Parteibasis und ohne vorherige Erörterung in den Medien im Juli 1952 die 2. Parteikonferenz durch, die den überraschenden Beschluß faßte, in der DDR die Grundlagen des Sozialismus planmäßig aufzubauen. Für die Öffentlichkeit und die Parteimitglieder kam die Mitteilung wie der Blitz aus heiterem Himmel. In die Vorbereitung dieses Beschlusses war nicht einmal des ganze Politbüro einbezogen worden. Die Vorentscheidungen fielen in Abstimmungen Walter Ulbrichts mit der Sowjetischen Kontrollkommission.

In der Frage, ob es möglich sei, den Sozialismus in einem Teil eines ehemals einheitlichen bürgerlichen Nationalstaats mit nur etwa einem Fünftel der Bevölkerung aufzubauen, zu einem so frühen Zeitpunkt, eine positive Antwort zu geben, war höchst problematisch. Die Zerrei-ßung der historisch gewachsenen Länderstruktur mit der bald nach der Parteikonferenz erfolgenden Bezirksbildung diente dem zentralen Kommandosystem gemäß dem „demokratischen Zentralismus“.