Dudelfunk statt Bürgers Stimme

Der Hamburger Senat drehte dem alternativen offenen Kanal den Saft ab

  • Guido Sprügel, Hamburg
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Mit der Änderung des Hamburger Landesmediengesetzes verabschiedet sich der Hamburger Mitte-Rechts-Senat aus FDP, CDU und Schill-Partei vom Offenen Kanal, aber auch von medienpolitischer Unabhängigkeit und Vielfalt.

Hamburg hat es geschafft. Am 26. Juni verabschiedete der Senat »das modernste Mediengesetz Deutschlands«, so Burkhardt Müller-Sönksen von der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Die Entscheidung besiegelte das Ende des Offenen Kanals (OK). Er stellte sein Rundfunk- und Fernsehprogramm pünktlich am 30. Juni 2003 ein. Über 15 Jahre hatte der OK zum Hamburger Kulturleben beigetragen. Im Juli 2002 begann die Diskussion um den Offenen Kanal. »Zuviel Gewalt. Zuviel obskure Propaganda. Zuviel Quatsch«, meinte der Vorsitzende der Hamburger CDU-Fraktion, Michael Freytag. Von den Grünen bis zu ver.di regte sich Widerstand. Auch die Hamburgische Anstalt für neue Medien (HAM) protestierte gegen die Pläne des Senats. Sie befürchtete neben einer starken kommerziellen Ausrichtung der Medienlandschaft auch die »Einschränkung von Bürgerbeteiligung«. Doch das Gesetz wurde verabschiedet. Bisher war es nicht möglich, reinen »Dudelfunk« zu machen, d.h. die Sender mussten auf einen bestimmten Anteil gesprochenen Wortes achten, die Kontrolle lag bei der HAM. Das hat der Hamburger Senat abgeschafft, um die »Entfaltung des freien Unternehmertums«, so Dietrich Rusche (CDU-Fraktion) durch Deregulierung und Abbau der Bürokratie zu fördern. Nutznießer des Schlussakkordes ist ein Prestigeobjekt des Hamburger Senats - die geplante Hamburg Media School (HMS). Diese »erbt« die Frequenzen und das technische Know-How des Offenen Kanals sowie die freiwerdenden Gelder aus den Rundfunkgebühreneinnahmen in Höhe von ca. 900000 Euro pro Jahr. Der »Bürgerfunk« soll fortan von der HMS ausgewählt werden. Das war vorher anders: Jeder Bürger durfte senden. »Es ist für alle daran Beteiligten einschließlich der Mitarbeiter eine bittere Situation«, so Lothar Jene, Direktor der HAM. Auch der Vorsitzende des HAM-Vorstands, Dietrich Sattler, bedauerte das Ende und beklagte die geringe Wertschätzung der politisch Verantwortlichen für die langjährige Arbeit. »Das Primat der Ökonomie bei der Vergabe der Lizenzen« rücke mit der Gesetzesänderung in den Vordergrund und stelle keinen Zugewinn an Informationsfreiheit dar, so Erhard Wohlgemuth, Geschäftsführer des links-alternativen Freien Sender Kombinats (FSK). Der SPD-Medienexperte Werner Dobritz warnte in der TAZ vor einem »Rückfall in die medienpolitische Steinzeit«. Dem »Dudelfunk« wird das Tor weit aufgestoßen. Die personelle Zusammensetzung der HAM selbst ist schließlich ein weiterer Änderungspunkt des neuen Gesetzes. Bislang bestand der HAM-Vorstand aus 13 Mitgliedern, die zur einen Hälfte vom Hamburger Senat gewählt, zur anderen Hälfte von gesellschaftlichen Gruppen wie Gewerkschaften, Kirchen, Frauenverbänden etc. entsandt wurden. Nach dem neuen Gesetz wird der Vorstand auf 7 Mitglieder verkleinert und komplett vom Senat gewählt. Lothar Jene, Direktor der HAM, brachte die Intention bereits im Februar diesen Jahres in einem internen Papier auf den Punkt: es gehe »offenbar darum, die HAM stärker als bisher aus ihrer politischen Neutralität zu entla...

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