nd-aktuell.de / 15.09.2003 / Wirtschaft und Umwelt

In elf Metern Tiefe unter der Warnow

In Rostock wurde das erste private Verkehrsprojekt Deutschlands eröffnet

Ellen Krüger, Rostock
Die Bewerbung von Leipzig und Rostock für die Austragung der Olympischen Spiele im Jahr 2012 dürfte ein Stück weit realistischer geworden sein. Grund ist die Eröffnung des Tunnels unter der Warnow hin zu einem der attraktivsten Segelreviere der Ostsee. Innerhalb weniger Minuten erreicht man jetzt den Rostocker Stadtteil Warnemünde.
Während sich deutschlandweit Spezialisten und Techniker noch die Köpfe über das künftige Maut-System auf Deutschlands Autobahnen zerbrechen, ist man in Mecklenburg-Vorpommern schon einen Schritt weiter. Im Nordosten der Republik wird nämlich seit Freitag letzter Woche auf der Straße gezahlt. 2 Euro im Winter und 2,50 Euro im Sommer müssen diejenigen berappen, die die dank Warnow-Tunnel nunmehr kurze Strecke von Rostock an den Strand von Warnemünde mit einem Personenkraftwagen zurücklegen wollen. Für Brummi-Fahrer wird das Ganze teurer - je nach Größe des Fahrzeugs und Jahreszeit kostet die Fahrt zwischen 8 und 14 Euro. Allerdings gibt es auch preisgünstigere Abonnements für Vielfahrer. Pro Stunde können bis zu 4000 Fahrzeuge abkassiert werden. Das ist auf herkömmlichem Weg, mit Überreichen der Summe in bar, möglich oder mit Hilfe einer Magnetkarte, die das Geld automatisch vom Konto abbucht. Dazu muss allerdings im Vorfeld ein Gerät zur Erfassung in das Fahrzeug eingebaut werden. Doch nicht nur bezüglich der Maut ist die Warnowquerung ein Novum. Auch bei der Finanzierung ist Neuland betreten worden. Es handelt sich nämlich um das erste privat finanzierte Straßenbauvorhaben in Deutschland. Bereits erfahren im Bau von Querungen großer Gewässer, haben Franzosen das ehrgeizige Projekt realisiert - genauer gesagt der Konzern Bouygues Travaux Publics, der bereits am Bau des Eurotunnels von Frankreich nach Großbritannien beteiligt war. Ebenfalls finanziell am Bau beteiligt waren eine Londoner Tochtergesellschaft der australischen Macquarie Group und mit zehn Prozent der investierten Gesamtsumme von 220 Millionen Euro war auch die Europäische Union dabei. Mittels einer Betreibergesellschaft, die einen Konzessionsvertrag über die Betreibung der Strecke hat, soll sich das Projekt innerhalb der nächsten 30 Jahre rechnen. Dazu müssten den Berechnungen zufolge täglich etwa 20000 Fahrzeuge die beiden 790 Meter langen Röhren elf Meter unter der Warnow passieren. 25 Mitarbeiter haben dort einen neuen Arbeitsplatz gefunden und kassieren die Gebühren. Doch nicht bei allen herrschte am Wochenende ausgelassene Stimmung anlässlich der Freigabe des Tunnels. So hat der ADAC bereits Zweifel darüber angemeldet, dass die ehrgeizigen Ziele der Betreibergesellschaft erreicht werden. Man wolle im Auge behalten, wie künftig die Straßen in Rostock behandelt werden, die kostenlos zu passieren sind und ebenfalls in Richtung Warnemünde führen. Bereits jetzt wird spekuliert, dass die übliche Durchfahrt durch Rostock erschwert werden könnte, damit sich der Tunnel rechne. Für das Gros der Bewohner der Hansestadt ist der Tunnel aber eine gute Sache. »Wir sparen 20 Kilometer oder mehr, um nach Warnemünde zu kommen«, heißt es unter den Sympathisanten, die das ständige Im-Stau-Stehen quer durch die Stadt satt haben. Dennoch wurde am Rande der Tunneleinweihung darüber fabuliert, was passieren könnte, sollten die geplanten Zahlen bezüglich der Durchfahrten nicht erreicht werden. Da war die Rede davon, mit Billigung der Stadtverwaltung Schilder aufzustellen, die dem Ortsunkundigen keine Wahl lassen und ihn direkt zur Warnowquerung führen. Auch fanden sich Vertreter der Meinung, dass bereits mit dem Bau der A20 die Stadt Rostock ausreichend entlastet worden sei. Und wieder andere halten das millionenschwere Projekt für rausgeschmissenes Geld. »Dafür hätte man ein paar Hundert Leute einige Jahre beschäftigen können«, meinte ein älterer Herr. Er habe sich mit den Staus in der Innenstadt arrangiert, so könne er zwischendurch auch mal etwas entspannen. »Doch den jungen Leuten geht das heute alles nicht schnell genug«, schimpfte er, winkte ab und ging in Richtung Tunnel - wenigstens einmal wolle er ihn doch in Augenschein nehmen.