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  • Wirtschaft und Umwelt
  • Schlußlicht Berlin und die Pläne anderer europäischer Großflughäfen für das Jahr 2000

Mit der doppelten Zahl an Passagieren wird gerechnet

  • LOUIS EBERHARD
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer in diesen Monaten den Internationalen Airport von Brüssel in Zaventem als Zielflughafen wählt, hat den Eindruck, auf einer Großbaustelle anzukommen: Ein scheinbar endlos langer Baukomplex ist zu umrunden, bis endlich das alte, längst viel zu enge Abfertigungsgebäude erreicht ist.

Wie in vielen Ländern platzen auch in Brüssel mit dem raschen Wachstum des Luftverkehrs die alten Terminals aus allen Nähten. In steil aufsteigender Kurve wurde bei den monatlichen Passagierzahlen von Brüssel im Juli vergangenen Jahres erstmals die Million überschritten. Für Anfang 2000 rechnet man mit 25 Millionen pro Jahr.

Nachdem 1988 das schwierige Problem der Finanzierung eines weit über die bisherige Kapazität hinausgehenden Erweiterungsprojekts gelöst war, konnte 1990 mit den Bauarbeiten begonnen werden. Ende 1993 soll die neue Halle mit über 100 Flugsteigen bereitstehen und zur Urlaubssaison teilweise den Betrieb aufnehmen. Angesichts des unbefriedigenden Hick-

hacks um den künftigen Standort eines künftigen Berliner Großflughafens macht es direkt neidisch zu sehen, wie schnell und konsequent hier Zukunftpläne verwirklicht werden.

Zum neuen Brüsseler Terminal gehört auch das Beste an zur Verfügung stehender Technik. In Gestalt eines hochleistungsfähigen Computer-Zentrums ist es bereits installiert. Nach einer Übergangsphase werden dann auf den beiden Pisten, die jetzt im wechselweise für Starts oder Landungen genutzt werden, simultane Operationen wie gleichzeitige Starts und Landungen auf beiden Bahnen bei höchstem Sicherheitsstandard möglich.

Benutzerfreundlich zeigt sich heute bereits die praktische Anbindung des Schienennahverkehrs nach Brüssel. Unter der neuen Halle ist ein weiterer Bahnhof im Bau, der den Fernverkehr auf der Magistrale Paris-Brüssel-Berlin mit der Nordsüdverbindung Amsterdam-Brüssel verknüpfen soll.

Im Zuge der geplanten Erweiterung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs auf der Schiene wird die Attraktivität dieses Luft- und Bahnknotens noch zunehmen. War man bisher zum Beispiel von Brüssel nach Paris noch 2 Stunden und 26 Minuten unterwegs, wird sich diese Zeit mit der Bahn auf eine Stunde und 20 Minuten verkürzen. Wer in Brüssel landet, um in die Seinemetropole Paris weiterzureisen, wird dann den Zug wählen, der gegenüber einem Weiterflug auf dieser Distanz den Fahrgast zeitsparend

fleich mitten ins Zentrum ringt.

Die zur schon vorhandenen Autobahnnähe hinzukommende Schienenverkehrsanbindung birgt auch für das gewinnträchtige Luftfrachtaufkommen neue Perspektiven. Die Planer gehen davon aus, daß künftig die Umladung auf Lkw nur noch für Entfernungen bis etwa 600 Kilometer wirtschaftlich ist. Darüber hinaus wird die Bahn schneller und zugleich umweltfreundlicher sein.

Ähnlich wie seine Rivalen Paris, Amsterdam, Brüssel

und Rom rechnet auch London bis zur Jahrhundertwende mit einer Verdoppelung der Fluggastzahlen; für Heathrow Airport, zugleich Europas größter internationaler Flughafen, wären das immerhin etwa 80 Millionen.

Möglich werden soll das nicht zuletzt durch den Bau eines fünften Terminals, der im Westen des Flughafengeländes in unmittelbarer Nähe wichtiger Straßenverbindungen geplant ist. Die erste Phase des modernen Terminals mit Hotel und Parkplätzen soll 2002 für jährlich 10 Millionen Passagiere betriebsbereit sein; die spätere Endphase wird diese Kapazität auf 30 Millionen erweitern.

Obwohl Heathrow in der Luftlinie näher am Londoner Zentrum dran ist als der entfernter im Süden angesiedelte zweite Großflughafen Gatwick, braucht man bis Heathrow derzeit die längere Fahrzeit (20 U-Bahnstationen bis Leicester Square), verglichen mit jener des von Victoria Station verkehrenden „Gatwick Express“.

Das soll sich jedoch bald ändern, hat man doch vor kurzem schon mit dem Bau einer Trasse für den „Heathrow Express“ begonnen, der die Verbindung zu einem Umsteigeknoten in der City in nur 16 Minuten herstellen soll. Teilweise können dabei bereits bestehende Bahnstrecken genutzt werde, so daß der erste Zug - wenn die Pläne eingehalten werden - bereits 1997 grünes Licht erhält. Nicht unwichtig: Außer der Piccadilly-Linie der Underground wird auch den Verkehr auf der stets überfüllten Autobahn M 4 entlastet. So ist das Projekt auch ökologisch von Bedeutung.

Und Berlin? Trotz günstiger zentraler Lage in einem größer gewordenen Europa rangiert es im Wettlauf um zukünftige Marktpositionen nach wie vor unter ferner liefen. Im Hinblick auf den nicht zu unterschätzenden - und im Unterschied zu Olympia dauerhaften - Wirtschaftsfaktor eines funktionierenden Großflughafens wird kostbare Zeit verantwortungslos vertan.

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