Schutz eines Phantoms

Fünf nach zwölf für das Auerhuhn in Brandenburg

Brandenburgs Umweltstaatssekretär Friedhelm Schmitz-Jersch (SPD) hat vergangene Woche ein »Artenschutzprogramm Auerhuhn« vorgestellt. Eigentlich eine gute Sache - nur ist der Zeitpunkt etwas merkwürdig. Ist doch das Auerhuhn nach einhelliger Auffassung von Experten bereits Anfang bis Mitte der 90er Jahre in Brandenburg ausgestorben. Zudem fällt die Vorstellung des Programms in eine Zeit, in der die Großen Koalitionäre in Brandenburg an der Demontage des Landesnaturschutzgesetzes arbeiten. Weicht realer Naturschutz dem Schutz von Phantomen? Der Staatssekretär räumt selbst ein, dass es für den prächtigen Waldvogel eigentlich schon fünf nach zwölf sei. »Die wenigen noch lebenden Exemplare werden für den Erhalt einer Population kaum ausreichen,« so Schmitz-Jersch. Ist das Auerhuhn also doch noch nicht »ausgestorben«? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Die einen sagen, dass einer Art erst dann dieser zweifelhafte Ehrentitel zukommt, wenn kein Individuum mehr existiert. Für die anderen ist bereits dann alles erledigt, wenn es keine reproduktionsfähige Populationsgröße mehr gibt. Vereinzelte Tiere wurden in den letzten Jahren tatsächlich noch gesehen. Diese könnten aus Polen herübergeflattert sein, wo es noch reproduzierende Restbestände gibt. Lebten in der Westlausitz im 19. Jahrhundert noch etwa 5,6 Auerhühner je 100 Hektar Wald, brach der Bestand bis 1975 bereits auf unter 0,5 Hühner zusammen. Als Ursachen nennt der Koordinator des Auerhuhnschutzprogramms, Reinhard Möckel, die Intensivierung der Forstwirtschaft, den Braunkohlenbergbau und die militärische Nutzung von Teilen der Lausitz, wodurch der bevorzugte Lebensraum der Hühner - naturnahe störungsarme Wälder - verloren ging. In allen drei Problemfeldern zeichne sich nunmehr Entspannung ab, so Möckel, so dass es sich lohne, über die Rückkehr des Auerhuhns nachzudenken. Doch bei kaum einer anderen Art gibt es so viel Skepsis bei Artenschützern selbst. Sie kritisieren dabei nicht das Vorhaben des Schutzprogramms, großräumige naturnahe Wälder in der Lausitz wiederherzustellen, sondern die von Möckel für unabdingbar gehaltene Initiierung von Beständen. Vor allem der vorgeschlagenen Aussetzung von etwa 80 Auerhühnern in der Westlausitz stehen viele Naturschützern ablehnend gegenüber. Sie haben erhebliche Zweifel, ob die Ursachen des Bestandsrückgangs tatsächlich als beseitigt angesehen werden können. Für den thüringischen Auerhuhnexperten Siegfried Klaus ist vor allem die mangelnde Nahrungsbasis der Tiere ein Problem. Beeren, Würmer und Insekten gehören zur Sommer-, Knospen und Nadeln zur Winternahrung der Auerhühner. Vor allem in den ersten Wochen besteht die Kükennahrung aber ausschließlich aus Insekten. Und diese sind in den oftmals monotonen brandenburgischen Kiefernforsten kaum ...

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