Biopiraten besiegt?

Südafrikanische San an Nutzung des Hoodia-Kaktus beteiligt

  • Anja Garms
  • Lesedauer: 3 Min.
In diesem Sommer feierten die Buschleute im Süden Afrikas einen Erfolg: Der US-Pharmakonzern Pfizer muss den San für ein Medikament, das auf Basis ihres traditionellen Wissens entwickelt wird, eine Entschädigung zahlen.
Übergewicht ist in der Wüste Kalahari ein unbekanntes Problem. Nahrungsmangel hingegen ist in der entbehrungsreichen Region an der Grenze zu Botswana keine Seltenheit. Seit Jahrhunderten schätzen die San aus diesem Grund den Hoodia-Kaktus. Zerkaut vertreibt er Hunger und Durst und verhindert so, dass die Buschleute sich noch während der Jagd an ihrer Beute vergreifen. Von eben dieser appetitzügelnden Wirkung verspricht sich der US-Konzern Pfizer Milliardengewinne. Er will aus dem Kaktus ein Medikament gegen Fettleibigkeit entwickeln - ein Pfundsidee in den übersättigten Ländern der »ersten« Welt. Der Wirkstoff des Kaktus, P57, wurde bereits 1996 vom südafrikanischen »Rat für Wissenschaftliche und Industrielle Forschung« (CSIR) isoliert und patentiert. Die Lizenzrechte gingen den Angaben zufolge zunächst an das britische Unternehmen Phytopharma, das sie für 21 Millionen US-Dollar an den Konzern Pfizer weiterverkaufte. 2001 erhoben die San Klage gegen den Patentinhaber CSIR. Enttäuscht von der rücksichtslosen Ausnutzung ihres Kulturerbes, forderten sie eine Beteiligung am Profit des Pharmariesen. Nach der jetzt erzielten Einigung werden die San im Rahmen eines so genannten »benefit sharing« an den Gewinnen beteiligt: Während der Erforschung und Entwicklung des Medikaments erhalten sie vom CSIR zunächst acht Prozent der Lizenzgebühren. Wenn das Medikament voraussichtlich 2008 auf den Markt kommt, gehen 6 Prozent der Gebühren, die Pfizer an den CSIR zahlt, an die Buschmänner. Das Geld soll in die Ausbildung und die Schaffung von Arbeitsplätzen investiert werden. Mag das Problem für die südafrikanischen San befriedigend gelöst sein, grundsätzlich ist es das nicht: gemeinschaftliches Wissen kann weiterhin privatisiert, biologisches Material patentiert werden. Zwar wurde 1992 auf dem Umweltgipfel in Rio eine Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt beschlossen. Danach hat jeder Staat Souveränität über »sein« genetisches Material. Dennoch muss Anderen - auch kommerziellen Unternehmen - Zugang zu den Ressourcen gestattet werden. Und die großen Pharma-Konzerne nutzen ihre Chance: Sie sichten rund um den Erdball systematisch biologisches Material und erkunden das traditionelle Heilwissen der Einheimischen. Wird dann eine Heilpflanze oder ein Wirkstoff daraus patentiert, gehen die Ureinwohner in den allermeisten Fällen leer aus. Gegen die Patentierung von arzneimittelwirksamen Stoffen sei nicht grundsätzlich etwas einzuwenden, sagt Then. Vor Biopiraterie müsste die Bevölkerung aber wirksam geschützt werden. Die 1998 verabschiedete »EU-Biopatentrechtlinie« leistet dies nach Ansicht von Greenpeace, Misereor und Bundesärztekammer nicht. Biologisches Material und genetische Informationen seien weiterhin patentierbar. Die Umsetzung der umstrittenen Richtlinie in nationales Recht findet denn auch nur zögerlich statt, in Deutschland wird seit dem Jahr 2000 darüber verhandelt. Die Enquete-Kommission des Bundestags »Recht und Ethik der modernen Medizin« hat sich schon 2001 dafür ausgesprochen, Patente auf Pflanzen, Saatgut, Tiere und Gene zu verbieten. Auch der Bundesrat und der Europarat sind Greenpeace zufolge gegen Gen-Patente. Das Bundesjustizministerium hingegen hat angekündigt, noch vor der Sommerpause einen Gesetzesentwurf vorzulegen, nach dem diese Patente ausdrücklich erlaubt sind.
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