Streikrecht in Indien in Gefahr

Gewerkschaften wehren sich gegen Gerichtsurteil

  • Hilmar König Delhi
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.

Auf der 39. Sitzung der Indischen Arbeitskonferenz - einem Forum, an dem die verschiedenen, überwiegend an politische Parteien gebundenen Gewerkschaftsorganisationen und Regierungsvertreter teilnehmen - wurde vergangene Woche über das Streikrecht von Regierungsangestellten debattiert.

In seiner Ansprache vor der Indischen Arbeitskonferenz hatte Premier Atal Bihari Vajpayee zwei aktuelle Probleme zunächst nicht einmal erwähnt: das kürzlich vom Höchsten Gericht gefällte Urteil, Regierungsangestellte hätten kein verfassungsmäßiges, moralisches oder legales Recht auf Streik sowie das Schicksal von 6000 Angestellten der Regierung des Unionsstaates Tamil Nadu, die vom Dienst suspendiert sind, weil sie streikten. Lautstark forderten deshalb die Gewerkschaftsführer eine Stellungnahme der Regierung zu diesen beiden Fragen. Der Premier: »Das Höchste Gericht fällte ein Urteil, das den Gewerkschaften nicht gefällt. Es ist möglich, dass es selbst mir nicht zusagt. Aber wir müssen zusammen einen Ausweg aus der Situation finden«. Allerdings könne man nur mit denen sprechen, die eine Lösung wollen, und nicht mit denen, die sich zu keinem Kompromiss bereit zeigen. Mit diesen nichts sagenden Formulierungen ließen sich die Arbeitervertreter jedoch nicht abspeisen. Gurudas Das Gupta, der Generalsekretär des Allindischen Gewerkschaftskongresses (AITUC), sagte: »Wenn es der Premier ernst meint, dann sollte er zu den brisanten Themen eine Beratung zwischen Gewerkschaftern und Regierungsvertretern ansetzen.« Es sei die Pflicht des Staates, die Rechte der Arbeiter und Angestellten zu schützen. M.K. Pandhe vom Zentrum der Indischen Gewerkschaften (CITU) äußerte, es käme zum landesweiten Generalstreik, wenn die Regierung nicht in absehbarer Zeit positive Signale setzt. Die bevorstehenden Wahlen in fünf Unionsstaaten und die Parlamentswahlen im kommenden Jahr vor Augen, schlug der Regierungschef auf der Konferenz konziliante Töne an, sprach von der Notwendigkeit, das legislative, administrative und rechtliche System angesichts der »neuen Realitäten des einheimischen industriellen Klimas und der neuen Aspirationen auf dem Arbeitsmarkt zu überprüfen.« Offenbar kaschierte er mit solchen Bemerkungen die seit langem gehegte Absicht seiner Regierung, im Zuge der marktwirtschaftlichen Reformen und unter dem Drängen der in- und ausländischen Unternehmer und Investoren, die Arbeitsgesetzgebung tief greifend zu reformieren. Diese bezieht sich ohnehin bislang nur auf den gewerkschaftlich organisierten Sektor der Wirtschaft und Verwaltung und nicht auf das Millionenheer von Gelegenheits- und Wanderarbeitern, Tagelöhnern und Landarbeitern, die ohne jeglichen Schutz unternehmerischer Willkür ausgesetzt, ohne festen Lohn, ohne medizinisc...

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