Brasilien soll Stroessner ausliefern

Internationaler Haftbefehl gegen Diktator

  • Raúl Pierri, Montevideo
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.

Ein Gericht in Paraguay hat einen internationalen Haftbefehl gegen den früheren Diktator Alfredo Stroessner erlassen, der seit seinem Sturz 1989 in Brasilien lebt.

In einem Schreiben an Polizeichef Humberto Nuñez ordnete das Gericht die Verhaftung Stroessners und seines Innenministers Sabino Montanaro an, der in Honduras lebt. Stroessner soll möglichst bald der brasilianischen Sektion von Interpol überstellt werden, die sich nach Einschätzung von Experten aufgrund bilateraler Abkommen kaum weigern kann, den 90-Jährigen festzunehmen. Paraguay hat in der Vergangenheit bereits mehrfach vergeblich die Auslieferung Stroessners gefordert, der das Land 35 Jahre lang diktatorisch regierte. Vor fünf Jahren allerdings unterzeichneten beide Staaten ein Abkommen, das Asyl für Justizflüchtlinge grundsätzlich ausschließt. »Brasilien hat keine andere Wahl, als Stroessner zu verhaften, denn die Bestimmungen sind glasklar«, versicherte Alberto Mauro, ehemaliger Senator und Mitglied des parlamentarischen Menschenrechtsausschusses. Wegen des Todes seiner Frau hatte der paraguayische Anwalt und Menschenrechtsaktivist Martín Almada Klage gegen den Diktator erhoben. Diese war im Alter von 33 Jahren an den Folgen der psychologischen Folter gestorben, die sie während ihrer Haft zwischen 1974 und 1979 erlitten hatte. Auch Almada selbst war von Stroessners Geheimpolizei verfolgt worden, nachdem er in seiner Doktorarbeit das paraguayische Bildungssystem kritisiert hatte. 1977 ging er ins Exil und kehrte nach Stroessners Absetzung nach Paraguay zurück, um gerichtlich gegen den Diktator vorzugehen. »Die Völkermörder müssen für ihre Verbrechen bezahlen«, betont Almada, Träger des Alternativen Nobelpreises, der 1992 die so genannten Terrorarchive entdeckte. Sie waren zu Beginn der 70er Jahre nach dem Militärputsch in Chile entstanden, um die Repressionsmaßnahmen der damaligen Militärdiktaturen in Chile, Argentinien, Brasilien, Bolivien, Paraguay und Uruguay über die Landesgrenzen hinweg zu koordinieren. Bei dem Auslieferungsersuchen in Sachen Stroessner hoffen Menschenrechtsaktivisten auch auf die neue Regierung des linksgerichteten Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva in Brasilien. Sein Amtsvorgänger Henrique Cardoso habe hierfür »nicht einen Finger gekrümmt« und den paraguayischen Diktator lange Zeit geschützt, kritisiert Almada. Ebenfalls in der letzten Woche wurde in Paraguay das Gesetz über die Einrichtung einer Wahrheitskommission veröffentlicht, der auch Almada angehört. Das Gremium soll die Verletzungen der Menschenrechte währ...

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