Vor entscheidenden Tagen in Teheran

Ultimatum der IAEA an Iran läuft ab: Drei EU-Außenminister erwogen gemeinsame Mission

  • Martin Schwarz, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Krise um das iranische Nuklearprogramm steuert auf einen entscheidenden Moment zu: Am Wochenende verdichteten sich Gerüchte um eine gemeinsame Reise der Außenminister Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands nach Teheran.
Die Europäische Union scheint sich nun endgültig entschlossen zu haben, im Streit um das iranische Nuklearprogramm eine aktive Rolle zu spielen: Am Rande des EU-Gipfels in Brüssel sollen Joschka Fischer, sein britischer Amtskollege Jack Straw und Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin am Donnerstag übereingekommen sein, in dieser Woche - möglicherweise schon am heutigen Montag - nach Teheran zu fliegen, um die iranische Regierung zu einer Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu drängen. Am 31. Oktober läuft ein Ultimatum der IAEA an Iran aus, seine nuklearen Pläne völlig offen zu legen. Sollte dies nicht geschehen, müsste die Angelegenheit an den UN-Sicherheitsrat in New York weitergeleitet werden, der Sanktionen gegen das Land verhängen könnte. Ob es tatsächlich zu der außergewöhnlichen Mission der drei Außenminister kommt, hängt nicht zuletzt von den politischen Signalen aus Teheran ab. Am Freitag kehrte Mohamed El Baradei, Generaldirektor der IAEA, nach einem 36-stündigen Aufenthalt in Teheran nach Wien zurück. »Im Verlauf der Gespräche hat El Baradei von der iranischen Führung Zusicherungen erhalten, dass Iran seine Kooperation mit der IAEA intensivieren und ohne jede Verzögerung alle noch offenen Fragen bezüglich des iranischen Nuklearprogramms beantworten wird«, verlautete aus dem Hauptquartier der IAEA in Wien. Allerdings dürften derart allgemein gehaltene Zusicherungen der Teheraner Führung nicht ausreichen, um den Konflikt zu lösen. Am Sonnabend hieß es, Iran verhandle nun mit der IAEA über die Unterzeichnung jenes Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag, das Inspekteuren den unangekündigten Zugang zu allen Nuklearanlagen im Lande garantiert. Nach wie vor aber lehnt es die iranische Führung ab, die Anreicherung von Uran zu stoppen. »Die IAEA hat Iran aufgefordert, diese Aktivitäten einzustellen, aber sie fahren mit dieser Anreicherung fort. Sie haben noch immer keine endgültige Entscheidung getroffen«, teilte El Baradei nach Abschluss der Gespräche in Teheran mit. Hoch angereichertes Uran ist für zivile Zwecke unbrauchbar, für den Bau einer Atombombe allerdings unverzichtbar. Weniger spektakulär dagegen sind Enthüllungen über geheime Atomanlagen in Iran, die der »Nationale Widerstandsrat Irans« am Dienstag der Vorwoche in Wien öffentlich gemacht hatte: dass nämlich in der Nähe der Stadt Isfahan eine weitere Anlage zur Anreicherung von Uran gebaut und die Existenz dieser Anlage gegenüber der Atomenergiebehörde verheimlicht werde. »Von dieser Anlage wissen wir schon seit einiger Zeit«, äußerte ein Diplomat der Vereinten Nationen in Wien am Wochenende gegenüber ND. Der »Nationale Widerstandsrat Irans« hatte schon im August vergangenen Jahres die Öffentlichkeit über eine bis dahin nicht gegenüber der IAEA deklarierte Atomanlage in der iranischen Stadt Natanz informiert und damit die derzeitige Krise ausgelöst. Sollten die drei Außenminister nach Teheran aufbrechen, so werden sie dem iranische Regime im Gegenzug für ein Einlenken wohl auch verlockende ökonomische Unterstützung in Aussicht stellen. Teil des deutsch-britisch-französischen Paketes, das der iranischen Führung schon im August in einem Brief zur Kenntnis gebracht worden war, ist die Ausweitung der technischen Kooperation und die Unterstützung beim Ausbau eines zivilen iranischen Nuklearprogramms. Auf Widerstand stößt eine solche Initiative allerdings noch immer bei der Regierung der USA, die jede »Belohnung« eines iranischen Einlenkens strikt ablehnt. Die außergewöhnlichen Bemühungen der drei europäischen Staaten, Iran zu einer Kooperation zu bewegen, sind wohl auch mit der zunehmenden Nervosität Israels zu erklären. In der vergangenen Woche waren Pläne bekannt geworden, wonach Israels Premier Ariel Sharon die Armee angewiesen habe, Pläne für eine Bombardierung der iranischen Nuklearanlagen auszuarbeiten. Diese Pläne bestätigt zumindest indirekt gegenüber dieser Zeitung auch Gerald Steinberg, Stratege des Nationalen Sicherheitsrats Israels: »Wenn die internationale Gemeinschaft nicht bald handelt, könnte es auch geschehen, dass Israel die iranischen Atomanlagen bombardiert.«
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