Regierung bittet Rentner zur Kasse

Nullrunde 2004, Ungewissheit 2005, voller Beitrag zur Pflegeversicherung, weniger Frühverrentung

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Neue Einsparungen vor allem zu Lasten der Rentner kündigte die Bundesregierung am Sonntag an, um ein erwartetes Loch in der Rentenversicherung von acht Milliarden Euro zu schließen.
Berlin (ND/Agenturen) Wie Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nach Beratungen des Bundeskabinetts und der Partei- und Fraktionsspitzen von SPD und Grünen am Sonntag in Berlin mitteilte, ist es »fester Wille« der Regierung, den Rentenbeitrag im kommenden Jahr bei 19,5 Prozent stabil zu halten. Die Rentner müssen sich allerdings 2004 auf eine Nullrunde einstellen. So soll die zum 1. Juli fällige Rentenanpassung ausgesetzt werden. Außerdem müssen Rentner künftig den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung bezahlen. Neurentner sollen ihre Rente nicht mehr am Monatsanfang, sondern erst am Monatsende bekommen. Ab 2005 soll es dann nur noch Rentenzuwächse geben, die durch einen so genannten Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel gedrosselt werden. Die Regierung folgt hier einem Vorschlag der Rürup-Kommission. Weiter kündigte Schröder an, dass die so genannte Schwankungsreserve der Rentenkasse von 50 auf 20 Prozent einer Monatsausgabe abgesenkt werde. Außerdem soll die private Riester-Rente durch Änderungen bei der Zertifizierung und beim Antragsverfahren vereinfacht werden. Auch die betriebliche Altersvorsorge soll einen Schub bekommen, indem Arbeitnehmer ihr erworbenes Kapital bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes mitnehmen können. Ferner kündigte Schröder die Umsetzung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur nachgelagerten Besteuerung der Renten an. Die Beiträge werden dann im Gegenzug steuerfrei gestellt. Dadurch werde die aktive Generation zusätzlich entlastet. Zudem entstünden so Freiräume für die private Altersvorsorge. Eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre lehnt die rot-grüne Koalition vorerst ab. Vielmehr müsse es das Ziel sein, das tatsächliche Rentenalter in den nächsten Jahren anzuheben, den Trend zur Frühverrentung zu stoppen und dafür zu sorgen, dass zwischen 2006 und 2008 das Renteneintrittsalter auch tatsächlich bei 63 Jahren liegt. Eine abschließende Entscheidung darüber, ob das gesetzliche Renteneintrittsalter zum Jahr 2035 auf 67 Jahre steigen solle, sei nicht vor 2010 notwendig. Beim Streitpunkt Bundeszuschuss für die Rente einigte sich das Kabinett darauf, diesen stufenweise zu reduzieren. Anstatt der geplanten zwei Milliarden Euro soll der Zuschuss im nächsten Jahr zunächst um eine Milliarde gesenkt werden und somit erst 2005 seine volle Höhe erreichen. Die fehlende Summe soll durch eine so genannte globale Minderausgabe aller Ministerien erzielt werden. Zugleich soll ein weit reichender Abbau von Subventionen für mehr Geld in der Kasse sorgen. Der Kanzler sprach mit Blick auf die Einschnitte für Rentner von »einer der schwierigsten Entscheidungen in unserer Regierungszeit«. CDU-Chefin Angela Merkel hat das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Stabilisierung der Rentenkassen scharf kritisiert. Erstmals seien Kürzungen für Rentner beschlossen worden, sagte Merkel am Sonntag in Berlin. Diese werde die Union nicht mitmachen. »Wir wären nie in eine solche Lage gekommen«, sagte die CDU-Vorsitzende unter Verweis auf den demografischen Faktor, den die Kohl-Regierung vor fünf Jahren eingeführt und Rot-Grün wieder rückgängig gemacht habe. Die SPD dagegen ist mit den Notmaßnahmen nach Angaben von Generalsekretär Olaf Scholz weitgehend einverstanden. Der Tenor einer Parteikonferenz am Sonntag in Berlin sei gewesen, dass die Vereinbarungen der Rentenklausur »notwendig und richtig« seien, sagte Scholz am Rande des Treffens. Es habe aber auch »den ein oder anderen Einwand« gegeben. Scholz verteidigte die Kürzungen als insgesamt für die Rentner »sehr milde Maßnahmen«.
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