nd-aktuell.de / 12.08.1993 / Politik / Seite 3

Ein Zugunglück, von dem keiner weiß

Warten auf Korotin

Foto: Gernot Delor

Zweifel am WDW, wie sie bei Albrecht John (Name von der Redaktion geändert) aufkeimten, werden jedoch zerstreut. Seine Verhandlung vor einem Amtsgericht verläßt er mit Korotin als Sieger. Daß diesen Prozeß selbst ein Jurastudent im ersten Semester gewonnen hätte - welcher Laie weiß das schon? Der Kläger, der wegen Eigenbedarf Albrecht John von seinem Grundstück herunterklagen wollte, hatte das Anwesen zwar gekauft, doch als neuer Eigentümer noch nicht ins Grundbuch eingetragen. Ein solcher Kläger gewinnt vor keinem Gericht.

?Doch'-d^nn korm^rlr;~der jachste Prozeß. Der Klarer k.anr^.nunmehr den^intagini Grundbuch nachweisen. Korotin hatte seine Antwort auf die Klageschrift dem Gericht eingereicht, nur - Korotin erscheint nicht zur Verhandlung. Der Zug, der ihn zum Verhandlungsort bringen soll, kollidierte mit einem Traktor. Ein solches Unglück, bei der Reichsbahn meldepflichtig, war aber nie registriert worden. Doch das wird sich erst später herausstellen.

Wochen danach kommt es zur nächsten Verhandlung. Diesmal hindern Korotin eisglatte Straßen, pünktlich zu erscheinen. Ohne juristischen Beistand verliert Albrecht John diesen Prozeß. Doch nun steigt wie Phönix aus der Asche Korotin am Horizont

der Hoffnung auf. Er habe, so beteuert er, nach der Verhandlung ausführlich mit dem Richter gesprochen. Der habe ihm Recht gegeben, daß hier das Vorkaufsrecht unterlaufen wurde. Korotin werde nun seine Klage dagegen einreichen. Damit sei der Räumungstermin vom Tisch.

Wiederum erst Monate später wird Albrecht John erfahren, daß sich der Richter an ein solches Gespräch nicht erinnern kann. Und John -wird sich nie daran erinnern können, jemals eine Klageschrift wegen Unterlaufung des Vorkaufsrechts zu Gesicht bekommen zu haben. Korotin verspricht zu zehn Terminen, die Kopie zu übergeben, aber nichts geschieht. Nach dreieinhalb Monaten, nach Ablauf jeder Einspruchmöglichkeit, gibt der Nutzungsrechtsverwalter Korotin schließlich zu, eine solche Klage vorbereitet, aber nicht abgeschickt zu haben. Inzwischen ist das Grundstück geräumt.

ND konnte Stapel von Briefen an den Verein Märkischer Eigenheim- und Grundstücksbesitzer e.V. (VMEG) einsehen, in denen Fälle geschildert werden, die alle nach dem gleichen Schema abliefen. Ganz gleich, worum es sich handelt - Korotin verspricht, sich sofort helfend einzuschalten, kassiert Monatsbeiträge in Höhe von 20 bis 50 Mark, und das war's

dann. Die Betroffenen geraten in eine Rechtsnotlage.

„Im Streitfall , so heißt es in einer Warnung des VMEG, „ist der Kontoinhaber juristisch nicht greifbar, da die juristische Person ,WDW GmbH' nicht existent ist.“ Und an anderer Stelle: „Mit der Erteilung Ihrer Vollmacht treten Sie alle Ihre Grundstücksrechte an Herrn Korotin ab. Er behält sich vor, ohne Sie zu informieren über Ihr Grundstück zu entscheiden, also auch Vergleiche abzuschließen. Sie können damit ,über Nacht' das Grundstück los sein.“

Nicht weniger aufschlußreich ist ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichtes Berlin vom Oktober 1992. Danach ist es Korotin untersagt, „im geschäftlichen Verkehr... Leistungen im eigenen oder fremden Namen Dritten anzubieten, die ihrer Art nach Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten sind, sowie diese Leistungen zu erbringen, solange ihm die erforderliche Erlaubnis dazu fehlt, sowie die Broschüre ,Das DDR-Nutzungs-und Eigentumsrecht nach der Einheit' zu vertreiben.“

Nunmehr hat Korotin in Dresden und Frankfurt/Oder weitere Geschäftsstellen eröffnet, auf daß weitere Mitgliedsbeiträge fließen. In Frankfurt/Oder fungiert er als „Ostdeutscher Mieter-Ring“. So oft wir während der letzten Wochen in seinen Geschäftsstellen in Berlin anriefen, es meldete sich niemand. Bereitet Korotin wieder einmal einen „Umzug“ vor? In jeder seiner bisherigen Sprechstunden saßen Dutzende von Hilfesuchenden. „Der Nächste zum Rasieren, bitte!“ sagte er oft. Wie wahr!