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Rote Bäume, grüne Sterne

Junge Sachsen wollen ein „Jugendparlament“

  • Lesedauer: 3 Min.

Thomas, Grit, Tilo und Jens (v.l.n.r.) wollen „eingefahrene Strukturen in der Jugendarbeit“ überwinden ND-Foto: Marcel Braumann

Als die DDR beerdigt wurde, trug man in Dresden auch die „Jungen Genossinnen“ zu Grabe. Zumindest dem Namen nach. Bei einer Fahrradtour ließ sich eine Handvoll junger Dresdner von Stuttgarter Christen inspirieren. Nicht jedoch der Heilige Geist kam über die linke Jugend, sondern die Idee von offener Jugendarbeit. Aus ihr erwuchs der „Bote Baum“, unter dem sich inzwischen 50 bis 60 Jugendliche tummeln.

Man trifft sich immer donnerstags von 17 bis 19 Uhr im „Haus der.Begegnung“ in der Franz-Liszt-Straße 13, 01219 Dresden (Tel.: 0351/471 55 96). Daß das Haus der PDS gehört, ist kein Geheimnis, beschneidet aber nicht die politischen Triebe des jugendlichen Gewächses. Denn neben PDS-Anhängern finden unter dem „Roten Baum“ auch einige SPDler, Falken und Grüne ihren Platz. Das paßt zum Alter der ersten bis dritten Liebe, in dem sich nur wenige mit einer Partei „verheiraten“.

Zudem schreckt die vor Ort zweifellos größte politisch aktive Jugendgruppe nicht vor wenig ideologiegeladenen Tätigkeiten wie Wandern und Zeichnen zurück. Je nach individueller Interessenlage sind auch Theaterspielen oder Öko-Gruppe angesagt. Bis in Regierungsstuben bekannt ist die „Schülerinneninitiative Demokratische Schule“, die es sich nicht nehmen ließ, dem neugewählten sächsischen Kultusminister Friedbert Groß zu seinem Amt zu gratulieren. Der bedankte sich brav für die Glückwünsche und teilte mit, ihm sei „eine gewichtige Aufgabe übertragen worden“, die er „nur erfolgbringend erfüllen kann, wenn mir auf dem Weg dahin viele engagierte Menschen tatkräftig zur Seite sind“. Er „erlaube“ es sich, „Sie zu diesem Kreise zu zählen“.

Der Kreis wird sicher unterhaltsam, denn „die Überwindung eingefahrener Strukturen der Jugendarbeit“ und ein „kultureller Untergrund“ sind laut Tilo Kießling (22), Päd-

agogik-Student und erster Vorsitzender, die erwünschten Blüten des Roten Baumes, der in Leipzig mit dem „Grünen Stern“ über Verwandtschaft verfügt. Offen ist Sachsens linke Jugend auch für Skins.

Im Ernst, denn die inländische Skinhead-Szene ist insgesamt weit weniger eindeutig dumpf und teutsch, als das manche „Glatzen“-Jäger vermuten. Nach einer Umfrage in der Szene (Falin/Seidel-Pielen, 1993, „Skinheads“, Beck'sche Reihe) wird das krasse „Deutschland den Deutschen“ lediglich von 32 Prozent der Kahlgeschorenen als wichtige gesellschaftliche Forderung geteilt. 59 Prozent bezeichnen sich weder als rechts noch rechtsradikal. Von den Skins (Ost und West), die beabsichtigen, zur Wahl zu gehen, wollen 12 Prozent ihre Stimme der PDS geben.

Derartige erstaunliche Ergebnisse bestärken den „Roten Baum“ in seiner Neigung, unvoreingenommen durch in der politischen Landschaft herumzustehen. Deshalb machen sich auch Mitstreiter wie der 17jährige Gymnasiast Thomas Pfeifer für den Verein „Jugendparlament - Jugendforum Sachsen e.V.“ stark, Pfeifer als dessen Pressesprecher. Der Verein verfolgt das Ziel - Zitat aus der Satzung -, „ein jugendpolitisches Gremium zu schaffen oder zu sein, welches aus Jugendlichen besteht und im Namen der Jugend Informations-, Redeund Anhörungsrecht sowie perspektivisch Antragsrecht auf landespolitischer und kommunaler Ebene einfordert und wahrnimmt.“ Eine Art Beirat im Parlament also.

Das Ganze geht auf eine Idee der SPD zurück, deren Landtags-Fraktionsvorsitzender Karl-Heinz Kunckel sich ob seines frühen Engagements fürs Jugendparlament entsprechender Beliebtheit erfreut. Vielleicht kommt auch die CDU aus dem Knick und unterstützt

fördernde Maßnahme. Dazu gehört das zweite Vereinsziel Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre.

MARCKT, HRATJMANN

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