nd-aktuell.de / 12.08.1993 / Sport / Seite 15

Kommt der VfB-Protest durch?

ND-Skizze: Wolfgang Wegener

So etwa war die Situation

Ein Tor erregt die Gemüter: das 1:0 von Werder Bremen, erzielt am Sonntagabend im Spiel gegen den VfB Stuttgart durch Andreas Herzog, der einen Freistoß knappe zehn Meter vom Ort des Fouls sofort ausführte und damit die Stuttgarter Elf überrumpelte. Der VfB hat am Montag beim DFB Protest eingelegt und hofft auf eine Neuansetzung.

Für die Stuttgarter ist der Fall klar: Schiedsrichter Führer aus Steinhagen habe eindeutig gegen die Regel XIII verstoßen. Im Protest heißt es: „Die richtige Entscheidung im Sinne der Fußballregeln wäre gewesen, den Freistoß am richtigen Freistoßort - also an der richtigen Stelle - wiederholen zu lassen und den Spieler Herzog wegen unsportlichen Verhaltens mit einer gelben Karte zu verwarnen.“ Das Sportgericht des DFB wird noch in dieser Woche den Protest behandeln, war vom Vorsitzenden des Schiedsrichterausschusses Johannes Malka zu erfahren. In der 30jährigen Geschichte des deutschen Profifußballs gab es bisher erst einen Fall, wo nach einem Protest ein Spiel neu angesetzt wurde: 1978 die Partie Stuttgarter Kickers - Borussia Neunkirchen in der 2. Liga. Hier hatte im „Vorspiel“ der Unparteiische einen Schuß ans Außennetz als Treffer anerkannt.

Malka hielt sich bei unserem Telefonat mit Bewertungen zurück, bestritt aber nicht die Berechtigung des VfB-

Protestes. „Mal schauen, was da herauskommt. Auf der einen Seite wollen die Spieler, daß ein Freistoß immer schnell ausgeführt wird. Und jetzt, wo das endlich einmal passiert ist, murren sie 'rum. Wenn die nicht aufpassen, ist das ihr Problem.“

Die Stuttgarter drängen doch aber nur auf Regeleinhaltung, die in diesem Fall strittig ist?

Natürlich müssen die Regeln eingehalten werden. Aber dem Schiedsrichter muß ein situationsbedingter Ermessensspielraum zugebilligt werden.

Ist der bei zehn Metern nicht überzogen?

Das wird die Verhandlung ergeben. Nach meinem Kenntnisstand soll Führer sich in Richtung Stuttgarter Tor bewegt haben. Wenn das so war, wäre das für die Spieler ein

Signal gewesen, daß das Spiel frei ist und Herzog schießen konnte.

Also eine Tatsachenentscheidung?

Für mich ist Tatsachenentscheidung etwas anderes. Ich würde es Ermessensentscheidung nennen. Zu den Regeln gehört auch, daß ein Freistoß nicht angepfiffen wird.

Was glauben Sie, wie der Protest ausgehen wird?

Das wird keine leichte Entscheidung. Ich halte mich da mit Vorhersagen heraus. Meine private Auffassung ist, daß Freistöße generell viel schneller ausgeführt werden sollten, weil das Spiel gerade von solchen Überraschungsmomenten lebt. Wird lange gewartet, ist alles fest, hat sich der Gegner formiert.

ECKHARD GALLEY