nd-aktuell.de / 07.10.1993 / Politik / Seite 2

Kohls Bester

KLAUS NAUMANN: Schöngeist in Uniform Telefoto: AP

„Zum ersten Mal seit 1944 verbringen deutsche Soldaten im Einsatz das Weihnachtsfest draußen im Felde“, erklärte Klaus Naumann vor seiner Abreise 1992 zu deutschen Blauhelmen nach Pnom Phen. Diese und andere pointierten Aussagen waren es, welche Klaus Naumann seit seinem Amtsantritt als ranghöchster Soldat der Bundeswehr ins Kreuzfeuer der Kritik brachten. Doch der General kommt von der Artillerie, er weiß, wann feindlicher Beschüß gefährlich ist und wann nicht.

Seit er im Oktober 1991 zum Generalinspekteur der Bundeswehr - auf „schroffe“ Intervention Helmut Kohls gegen den Bundesverteidigungsminister - berufen wurde, ist auf der Hardthöhe ein anderer Tonfall eingekehrt. Wiederholt stellte er das Primat der Politk bei der Führung der Bundeswehr in Frage: In einer Rede attestierte er den Bonner Politikern, daß sie kein „Verständnis für Sicherheitspolitik“ hätten und in einer Beratung bei Bundesverteidigungsminister Rühe soll Naumann einfließen haben lassen, daß in der Türkei „der Minister zum Generalstabschef fahre, und nicht umgekehrt“, was, nachdem es in die Presse lanciert war, sofort dementiert werden mußte.

In denBundesiMehrj.giU« dgr Aufstieg des 54-jährigen als „beispiellos“. 1958 eingetreten, macht er Karriere als Artillerieoffizier. 1981 wird er als Oberst zur Nato nach Brüssel kommandiert und übernimmt von 1988 an die Leitung der wichtigen Stabsabteilung für Rüstungsplanung und Militärpolitische Grundlagen. Er gilt als „intellektueller, fast schon schöngeistiger Offizier“ und mehr als kühler Theoretiker und Planer, denn als Praktiker. Inzwischen repräsentiert er den neuen Typ deutscher Militärs. Laut polterndes Auftreten und eine martialische Sprache sind nicht mehr gefragt, bei sicherheitspolitischen Themen wird nur noch „Neusprech“ benutzt. Wenn Naumann von Krieg spricht, nennt er es friedensschaffende oder friedenserhaltende Maßnahmen, vor einem „deutschen Sonderweg“ und damit einer „Renationalisierung“ der deutschen Außenpolitik warnt er, falls sich Deutschland nicht an internationalen Kampfeinsätzen beteilige.