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Rin oder raus oder wat?

  • MATIAS WEDEL
  • Lesedauer: 3 Min.

„zwar/aber Weder waren sie ausgemachte Feinde der DDR, noch hatten sie sie übermäßig lieb. Zwar waren sie in der SED oder eine Blockflöte, aber sie wollten nicht gleich Parteisekretär werden. Sie waren zwar Aktivisten, aber keine verdienten. Sie wollten zwar allerhand ändern, aber man hat sie nicht gelassen. Sie waren weder oben noch unten, weder vorne noch hinten: Sie waren die Mitte, da war es warm.

Fragt man sie heute, wie es ihnen im neuen Deutschland gefällt, dann antworten sie zu 43 Prozent „weder/noch“ bzw. „zwar/aber“ Sie fühlen sich weder beglückt noch betrogen. Sie sind zwar enttäuscht, aber nicht tief. Sie haben sich alles ganz anders vorgestellt, aber so ähnlich. Sie haben zwar einen neuen Golf, aber zu ekligen Raten. Sie essen zwar alles, aber sie behalten nichts drin. Sie machen zwar alles mit, aber nicht mit Begeisterung. Sie wählen zwar nicht, aber wenn doch, dann die Falschen. Sie mosern und motzen zwar gegen die Ein-

heitsgewinnler (33 Prozent der Ostdeutschen fühlen sich so, gratuliere!), aber zu den Verlierern (24 Prozent) sagen sie: Wer Arbeit sucht, der findet auch keine. Sie sind weder dafür noch dagegen. Sie halten sich da raus. Warum soll man nicht anwenden, was man gelernt hat bei uns war ja nicht alles schlecht.

Der vielgefragte Ostler sollte für eines der Institute auch einordnen, auf welcher Sprosse der gesellschaftlichen Stufenleiter er seiner Meinung nach hängengeblieben sei. Hei, was gab es da für ein Drängeln und Schubsen! Alle wollten eilig wieder in die Mitte. Bis aufs Komma genau waren es ebensoviele, wie angegeben hatten, auch in der DDR schon immer in der Mitte gewesen zu sein. Es sind nicht nur genausoviele, es sind auch dieselben.

Aber eine Zahl erschütterte die Demo-r skopen doch: 84 Prozent bekennen sich heute - obwohl sie natürlich hier und da kritisch waren - als „Befürworter des alten Systems“! Fast die ganze ostdeutsche Sippe will heute Gevolksgemeinschaft des Sozialismus gewesen sein! Die Meinungsforscher lassen ihre Computer rotieren: Nach der „Wende“ waren fast alle im antisozialistischen Widerstand gewesen, schlagartig und bedingungslos - drei Jahre später können sie sich schon nicht mehr daran erinnern. Rin mit de Jefiehle oder raus mit de Jefiehle oder wat? Da muß doch irgendwo ein Rechenfehler sein.

Kein Rechenfehler: Die Opportunisten sind immer und überall die meisten. Sie können nicht zwischendurch mal „dagegen“ gewesen sein - sonst wären sie ja keine Opportunisten. Denn nur die stabile Kontinuität sichert dynamisch die Stabilität unserer Dynamik. Wie wir ja wissen.

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