Beschwörung der Geister
Das künftige politische Europa müsse ein völlig neues Gesicht erhalten, neu erdacht werden, sagte Jaques Delors zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse, Und über Werte, Modelle, Bestrebungen nachzudenken, beschwor der Präsident der Kommission der Europäischen Gemeinschaft die Intellektuellen. Ohne ihre Ideen, ihr Engagement, würde es in Europa nicht weitergehen. Schön gesagt! Als ob die Intellektuellen hier irgendwo das Sagen hätten, als ob Politiker und Manager ihnen zuhörten. Als ob auf diesem größten Büchermarkt der Welt nicht bloß der Mammon, regieren, würde. Aber was^ware der t/iteraturbetriet) ohne ein wenlgicfealischen öfifiH? 11 Die hier versuchen, Worte zu verkaufen, dürfen den Glauben an ihre Kraft nicht ganz verlieren.
8 351 Aussteller aus 96 Ländern - berauschende Vielfalt nicht nur der Produkte, auch der Ideen. Alles ist in Frankfurt zu haben: beste Literatur, viel Mittelmäßiges und billigster Unterhaltungskitsch, politische Proklamationen jeder Couleur. Die Auswahl ist beliebig. Kluge Gedanken, schöne Illusionen, hehre Appelle, Halb wahres und Dummes, Übles auch. Vielleicht sogar jene Ideen, die ein neues Europa brauchen würde? Delors hat ja recht: Vieles müßte auf diesem Kontinent völlig neu durchdacht werden. Aber die Frankfurter Messe zeigt nur, wie die vielgepriesene Freiheit des Wortes im Ganzen funktioniert: Kaum etwas wird wirksam, weil sich alles vermischt zu einem großen, 'Gewirr der Meinungen. oigpärJßatintmftnigeteostdie Geister rufen, denn da wird man sie auch leicht wieder los.
IRMTRAUD GUTSCHKE
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