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Clinton an Ghalis „Agenda“ nicht interessiert

  • HILMAR KRUGER
  • Lesedauer: 3 Min.

Zu Beginn der 48. Vollversammlung der Vereinten Nationen appellierte UNO-Generalsekretär Boutros-Ghali an alle Mitglieder, insbesondere an die fünf Ständigen des Sicherheitsrates, bezüglich struktureller und inhaltlicher Reformen des UN-Systems nun endlich zur Sache zu gehen. Dies ist bezeichnend dafür, daß sich in den vergangenen 15 Monaten seit der Verkündigung von Boutros-Ghalis „Agenda for peace“ auf diesem Gebiet wenig getan hat.

Wenn es um strukturelle und inhaltliche Reformen der Vereinten Nationen ging, richtete sich die Diskussion bislang primär auf das Privileg des Vetorechts der fünf Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates. Inhaltliche Reformen hat Boutros-Ghali nicht zuletzt mit seiner „Agenda“ forciert, um die Hauptorgane der UNO in ihrer Tätigkeit

wieder zu den Grundgedanken der Charta zurückzuführen. Besonderes Augenmerk legte er dabei - nicht zu Unrecht - auf die komplexe wie komplizierte Problematik der Wahrung des Weltfriedens.

Von der ersten Rede des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton in der Generaldebatte vor der UNO-Vollversammlung hatte sich darum besonders Boutros-Ghali eindeutige Worte versprochen, die sein Vorhaben unterstützen. Doch der oberste Repräsentant des größten Beitragszahlers der Vereinten Nationen ließ unmißverständlich erkennen, daß die derzeit einzige intakte Großmacht weiterhin ihre Weltmachtrolle ohne Abstriche auszuüben gedenkt. Zugleich lehnte Clinton die Initiierung eines internationalen, den Vereinten Nationen unterstellten Streitkräfte-Kontingents ab.

Bundesaußenminister Klaus Kinkel tat fordernd kund, daß das vereinigte Deutschland in absehbarer Zeit einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat beanspruchen will. Vertreter Frankreichs, Großbritanniens und Chinas zeigten sich dagegen sehr skeptisch, weitere Staaten - außer Deutschland soll es ja auch Japan sein - in den kleinen Kreis der privilegierten Ständigen Mitglieder hineinzulassen.

Nicht von ungefähr hatten sich einst alle Beteiligten der Antihitlerkoalition in Jalta auf das Vetorecht geeinigt, da sie die wichtigste Voraussetzung für die Erhaltung eines dauerhaften Friedens in der Einmütigkeit der drei Mächte sahen, zu denen Frankreich und China hinzukamen. Dem lag der logische Gedanke zugrunde, daß mit der Verankerung einer Einstimmigkeitsregel bei Beschlüssen in der Ver-

fahrensordnung des Sicherheitsrates dem Vetorecht die Funktion zukam, UNO-Aktionen gegen Rechtsbrecher und Friedensstörer, wenn sie denn einmal beschlossen und auch tatsächlich wirksam sind, nicht weniger als die gesamte Unterstützung der Großmächte zu sichern. Nur so ist auch eine Abschreckungswirkung auf der Grundlage des Prinzips der kollektiven Sicherheit gegen Rechtsbrüche möglich unter der Voraussetzung, daß die Großmächte dann auch wirklich einer Meinung sind.

Viele Mitgliedsstaaten aus der sogenannten Dritten Welt, aus Latein- und Südamerika, Asien und Afrika, fordern seit jeher die Abschaffung des Vetorechts. Auch im UNO-Sicherheitsrat habe die Regel zu gelten: Ein Land - eine Stimme.

Strukturelle wie auch inhaltliche Reformen des UNO-

Systems sind überfällig. Notwendige Reformmaßnahmen bedeuten zwangsläufig auch Veränderungen der UN-Charta. Veränderungen werden aber laut Artikel 108 der Charta nur dann möglich, wenn auch alle Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates zustimmen.

Betrachtet man unter diesem Aspekt die derzeitige Situation sowie die Haltung der fünf Ständigen Mitglieder, dürfte es in absehbarer Zeit höchst unwahrscheinlich sein, daß einschneidende Reformen kommen. Doch die Vereinten Nationen werden künftig mehr denn je daran gemessen, ob sie konsequent die sich selbst gestellten Aufgaben und Ansprüche durchsetzen. Und dies bedeutet auch, sich auf globale Veränderungen einzustellen und ihnen durch ein effizientes Organisationsnetzwerk Rechnung zu tragen.

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