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Beten - und Marx sieht zu

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Sie waren lästig: die Myriaden von Marx-Porträts. Auf jeder Demonstration schwankten sie über die Köpfe hin, sie zeigten sich in Büros und Kaufhallen, Hotelzimmern und Bahnhöfen. Ich meine nicht die künstlerisch gelungenen, die wenigen. Die Marx-Bilder-Schwemme, Kitsch und Dilettantismus, sie war peinlich. Nun, ich muß es zugeben, schmerzt mich sein NichtVorhandensein.

Und man muß lange reisen, ehe man wieder auf ein öffentliches Marxbild stößt. Etwa ins österreichische St. Veit am Vogau. Und dann muß man dort in die Kirche gehen, eine barocke Prachtkirche, bäuerlicher Wallfahrtsort des Tierheiligen St. Veit.

Das Innere glänzt von Gold, über dem Eintretenden die Deckenfresken: In vier Feldern hat sie der Italiener Baruzzi von 1914 bis 1921 mit kriegsbedingten Pausen ausgeführt. Im vier-

ten Feld erblicken wir Papst Pius X.; um ihn wirbelt eine revolutionäre Welt: Standbilder des k.u.k. Reichs werden gestürzt, dem letzten Habsburger werden die kaiserlichen Insignien entrissen, Studenten mit Schärpe und roter Fahne, und da, man traut seinem entwöhnten Auge nicht, vor einer großen Menschenmenge redet der leibhaftige Karl Marx! Ein großer Volksredner war und wollte er nicht sein, und hier erinnert er mit dem aufgereckten Arm eher an Karl Liebknecht. Wie auch immer, es ist ein künstlerisches Marxbild, das hoch über den betenden Bauernfamilien des Vogau schwebt.

Was Maler und Priester bewogen haben mag, den Marx im Gotteshaus abzubilden? Vielleicht als Antwort auf das Marxwort, daß ihm bei Jesus am meisten das Wort „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ gefalle. A. KLAWEK

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