nd-aktuell.de / 07.10.1993 / Brandenburg / Seite 17

Entspannung?

Senatssprecher Butz ließ am Mittwoch verlauten: Die neue Asylgesetzgebung führe zu einer spürbaren Entspannung und Entlastung. Um 65 Prozent schrumpfte in der Zeit zwischen dem 1. Juli und Ende September die Zahl derer, die sich in Berlin um Asyl bewarben. Jetzt gebe es den Trend, daß die Bundesrepublik ihre Handlungsfähigkeit zurückerhalte.

Das sagte zwar Butz, er zitierte aber den Regierenden Bürgermeister Diepgen. So kann man davon ausgehen, daß - dieser senatseigenen Logik nach auch Berlin wieder „handlungsfähig“ wird.

Es versetzt immer wieder in Erstaunen, wie die „hohe“ Politik eigene Konzeptionslosigkeit nach vorn verteidigt. Butz gab noch eins drauf: Das Zusammenwirken der großen Parteien, CDU und SPD, habe sich ausgezahlt. Wo denn? Wie denn?

Die Spannungen in dieser Stadt den Ausländern oder Asylbewerbern unterschieben zu wollen, wäre beispiellos kaltschnäuzig. Probleme hat Berlin in erster Linie mit sich selbst, mit der praktizierten Politik, mit der Unfähigkeit der Regierenden, politische, wirtschaftliche und soziale Alternativen anzubieten. Das Gezerre um Pflegeversicherung, Renten und ABM, um Olympia, Regierungs- und Bundestagsumzug - um nur bei diesen Problemen zu bleiben - das sind doch die eigentlichen Ursachen für die Spannungen.

Daß Butz zufolge mit der „Entschärfung der Ausländerproblematik“ auch den „radikalen Kräften Nährboden“ entzogen werde, diese Meinung paßt ins Bild. In das der Unfähigkeit des Staates zu effektivem Handeln gegen Rechtsradikale. Des Senatssprechers Sprache: ein Zeichen mehr für Handlungsunfähigkeit.

PETER KOLLEWE