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  • Brandenburg
  • „fsk“: Unvorhersehbar Neues in „Far away from St. Petersburg“

Moderne im Birkenwäldchen

  • Lesedauer: 3 Min.

Iwan Rabcynski aus St. Petersburg/Florida hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, russische Melodramen zu schreiben. Situiert im Brooklyner Interieur, blickt er durch das amerikanische Hollywood- Fenster auf Mütterchen Rußland, fummelt an einer echt russischen Familienstory, der er, der Authentizität wegen, einen autobiographischen, psychologisch schwer belasteten Hintergrund zu dichten trachtet.

Rabcynskis alias John F Romanoffs fiktives Geplänkel um die „russische Seele“ beginnt um die Jahrhundertwende in St. Petersburg, wo Nikitisch, der Urvater aller folgenden mißlich-komischen Verwicklungen, Wasja zeugt, die Mama verläßt und vor seinen Schulden nach Norwegen flieht. Jedoch Norwegen wird nicht Norwegen, denn Väterchen Nikitisch verwechselt die Himmelsrichtungen und kommt in Sibirien an. Sohn Wasja wird erwachsen, ist heiß auf Daschka, liebt sie zwei Jahre lang und bringt sie schließlich um, denn sie will nach Norwegen, er aber nach Amerika. Weil Wasja nicht nach Sibirien/Norwegen wollte, kommt er in den Knast, aus dem er wieder flieht. Traumatisch verfolgt von seinem besessenen Haftaufseher trifft er seinen unbekannten und unerkannten Vater, schläft mit einer Frau und stirbt endlich, als er die Wege der Oktoberrevolutionäre kreuzt.

Unterbrochen werden die historischen Fragmente dann und wann von dem im Flugzeug sitzenden, die Passagiere mit Fragen malträtierenden Romanoff, von Berichten über die Dreharbeiten, nackten Brüsten arrangiert um einen Lenintorso am Ostseestrand oder einem Hahnentanz von Tradition und westlicher Moderne im heimeligen Birkenwäldchen.

Für den Regisseur Alexander Hahn, der in Riga/Lettland geboren und seit 1977 in

Deutschland lebt, scheint die Story seines Spielfilm-Debüts „Far Away From St. Petersburg“ jedoch eher als Nebenhandlung zu funktionieren, was keinesfalls stört, denn zu sehr erinnert ihr Aufbau an bekannte Stategien des postmodernen nordamerikanischen Romans. Der Film konstruiert sich eher aus brachial ineinander gemischten Bildzitaten, aus russischem, dunkel mystischem Bildwerk und Hollywood-Klischees. Hahn läßt keine durchgängige Handlung zu, parodiert, zersplittert, verschachtelt gängige Bildsemantiken von Tarkowski bis zum Westernpathos, erzeugt Spannung durch Brüche, durch das Gegeneinander der Bildtrümmer und ihrer verschiedenen kulturellen und filmkünstlerischen Hintergründe. Dort, wo sich Zitate überlagern oder vermischen, entsteht immer wieder bizarrste Situationskomik. Aus traditionellen Wunschträumen, der Bruchstruktur des Films, der irrationalen Spontaneität und komischen Tragik der Handelnden kristallisiert sich so etwas wie die „russische Seele“ heraus, etwas, in das der Regisseur einerseits verliebt zu sein scheint und von dem er gleichzeitig abgestoßen ist.

„Far Away From St. Petersburg“ hebt sich wohltuend von dem perfektionistisch monumentalen Realitätsersatz der Saurierkonstrukteure ab, ist ein diskontinuierlicher Prozeß, in dem sich beständig Neues, Unvorhersehbares ergibt; es ist „nur“ ein Film, eine Fiktion, woran Hahn keine Zweifel läßt. Entsprechend erschöpft sich das Anschauen nicht einfach im Vorführen-lassen, sondern setzt einen sich auf das zu Sehende einlassenden Zuschauer voraus, der, auch wenn er von Rußland absolut nichts weiß, wenigstens Verständnis oder Interesse für dieses Land, diese Mentalität aufbringen muß. MARIO STUMPFE

Außerdem im „Zeughaus“ und im Kino „Eisenstein“ zu sehen.

Thalia 1 . Babelsberg, Tel. 773 90:

Do-Mi: Jurassic Park (16.30, 19,

21.30, Sa/So a. 14 Uhr)

Thalia 2 :

Do-Mi: Auf der Flucht (15, 18, 21

Uhr)

Juaendfilmtheater Charlott . Zeppelinstr. 37, Potsdam, Tel. 932 02: Do-Mi: Hot Shots! - Der 2. Versuch (15, 17, 19,21.15, Sa a. 23 Uhr)

Filmtheater Melodie . F-Ebert-Str.

12, Potsdam, Tel. 229 17-

Do-Mi: Ein Elephant im Krankenhaus

(143.45, 16.15 Uhr). Dracula (17 45,

20.30 Uhr)

Defa-Studlo-Klno . August-Bebel-

Str. 26-53, Potsdam, Tel. 965 34 88:

Do-Mi: Großer Saal: Last Action Hero (15,18,21 Uhr). Malcolm X (So 11 Uhr). Kleiner Saal: Hot Shots! -Der 2. Versuch (15,17,19, 21 Uhr)

Diana . Teltow:

Do-Mi: Hot Shots! - Der 2. Versuch (17.30, 20, Fr-So a. 22.15 Uhr) Fr-Mi: Zurück nach Hause (15.30, Mi a. 10 Uhr) Hubertus-Lichtsoiele. Basdorf:

Fr-So: Schwiegersohn Junior (15.30, 18, 20.30 Uhr)

Mo/Di: Dennis (15.30,18,20.30 Uhr) Kleines Kino. Bernau:

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