nd-aktuell.de / 07.10.1993 / Kultur / Seite 22

,Wepromise to kill ourselves to make you laugh

Hacki Ginda und David Tabatsky

Foto: Chamä eon

Sie gehören zu den Spezies, die all die vielen Peinlichkeiten des Lebens, die wir so gerne unter den Tisch fallen lassen, aufsammeln und untersuchen, ob sich mit diesem Abfall nicht noch etwas anfangen läßt. Sie sind Komiker und in der Szene schon länger keine Unbekannten mehr.

Der eine, im rotglänzenden Smoking und mit der wackligen Grandezza eines Provinztalkmasters, ist David Tabatsky, Berliner aus New York, „Stand-up-comedian“ (was bedeutet, daß er öfter mal auf die Nase fällt) und als der „Mann mit den drei Kugeln“ aus der Scheinbar bekannt. Der andere im unvermeidlichen schwarzen Frack, geliehen natürlich, und mit einem Fettnäpfchenquotienten der Schuhgröße 48, ist - unverwechselbar - Hacki Ginda, der mit seinem liebevoll gestalteten, schrägen „Heinzi“ fast schon eine kleine Legende geschaffen hat.

Die beiden Hardcore-Komödianten haben sich zusammengetan, um das Publikum im Chamäleon zwei Stunden lang zu bombardieren,, gnadenlos chaotisch und abstrus komisch mit „Recycle or die“, einem Programm, das aus dem Ruder läuft wie ein wildgewordener Müllaster. Geht in den meisten Shows mal etwas daneben, so ist es hier umgekehrt. Der Reiz liegt darin, daß manchmal auch etwas klappt. Doch kaum hat sich der Vorhang nach einigen Anläufen endlich widerborstig geöffnet, stürzt auch schon das halbe Theater ein. Die Pleiten und Pannen sind Konzept, zumeist jedenfalls. Da werden die hintertückischsten Mißgeschicke und Banalitäten zu Lachbomben erster Güte recycelt. Es ist zum Jaulen komiseh, wenn Hacki immer wieder versucht, irgendwelche Dinge in den Mund zu stecken - meistens sind es Weintrauben, die ihm dann im letzten Moment durch den Saal davonfliegen oder irgendwo aus dem Hosenbein herauspurzeln, während er verwundert räsoniert, wo sie denn geblieben sind.

Dabei ist eben nicht das, was ihm danebengeht, das Komische: „Recycle or die“ besteht logischerweise auch aus immer wieder gern verwerteten alten Nummern, wie der Titel schon andeutet, aus einer Reihe gern immer „wiederverwerteter“ alter „Nummern“, und mit einer eindeutig verächtlichen Geste macht'Hacki klar, was er von dem Begriff „alte Nummer“ hält. Eben nicht nur das, was ihm danebengeht, ist das Komische, sondern wie es passiert. In seiner unverwechselbaren Mischung aus Grobheit und Feingefühl recycelt er die hintertückischsten Mißgeschicke und Banalitäten zu Lachbomben allererster Güte.

Einer der Gipfelpunkte des Abends ist sein King-Kong, der nach erfolgreicher Wolkenkratzerbesteigung (David Tabatsky in der Rolle eines gequälten Empire-State-Buildings) aus Freude über die endlich eingefangene kleine Dame in seiner Faust mit ebenderselben auf die Brust trommelt: das macht Platsch und aus ist's mit der Freude.

Und wenn er in einer bezaubernden Schwarzlicht-Nummer auf der Jagd nach seinem fliegenden Stock selber anfängt zu fliegen, hat das neben dem artistischen Können fast expressionistische Poesie. Während Ginda mit seinem „Heehee“ und „Hoho“ fast ohne Sprache auskommt, liegen Witz und Poesie bei David Tabatsky oft in den beiläufigen Nebensätzen seiner hahnebüchenen Geschichten auf dem Grat zwischen Sentimentalem und rotzfrech Banalen. Daß er sie auf Englisch erzählt, macht die Sache für einige Zuschauer zwar etwas schwieriger, aber die Pointen zünden dafür zuweilen auch furz-trockener, wenn er zum Beispiel erzählt, wie bei seinem ersten Jerusalem-Besuch gerade in der Stadt gedreht wurde: „Jesus Christ Superstar, the Return“.

Nicht alles an dem Abend trägt, manchmal verschwimmen die Grenzen von echten und gewollten Pannen, ein paar Proben mehr hätten nichts geschadet, aber der eigentliche Reiz liegt darin, wie die beiden im ständigen Life-Kontakt mit dem Publikum ihre Drohungen wahrmachen: We promise to kill ourselves to make you laugh! CHRISTOPH FREDERIK

Montags und Dienstags im Oktober, 20.30 Uhr, Chamäleon, Rosenthaler Str. 40.