Märchenstunde

Von Werra von Werner Schweizer

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Ein Sohn verarmten Schweizer (!) Adels, in Deutschland zur Adoption freigegeben und später von den Nazis zum Kriegshelden stilisiert, in englische Gefangenschaft geraten, geflohen und auf abenteuerlichen Wegen zu seiner Fliegerstaffel zurückgekehrt, nur um kurz darauf bei einem Übungsflug in der Nordsee zu ertrinken - wenn es nicht historisch wäre, Franz von Werras Leben läse sich wie ein schlechtes Drehbuch. 1957 spielte Hardy Krüger ihn in »Einer kam durch«, dem ersten englischen Nachkriegsfilm, in dem ein deutscher Offizier mehr sein durfte als bloße Karikatur, und machte seinerseits Karriere. Ehemalige Kampfgefährten von Werras schwärmen in Interviews noch heute von der Noblesse der Jagdflieger, die ihre uniformierten Feinde im Kampf Mann gegen Mann, Maschine gegen Maschine erledigten und nicht wie die Bomber wahllos Sprengsätze auf die Zivilbevölkerung abwarfen. Einer möchte am Ende vor lauter Begeisterung sogar Hardy Krüger zum Jagdflieger ehrenhalber befördern, was der sich sicher energisch verbeten hätte. Denn dass die Leidenschaft für die Fliegerei aus vielen jungen Männern Mitläufer eines Regimes machte, das sie andernfalls kaum unterstützt hätten, ist bekannt. Aus von Werras Briefen an seine in ihn wie in den »Führer« gleichermaßen vernarrte Schwester aber klingt eine solch bodenlos verantwortungslose Freude an der Zerstörung (»die Kriegsführung macht herrlich viel Spaß«), dass man sich am Ende fragt, was genau an der Person dieses Fliegers Dokumentarist Werner Schweizer so fasziniert haben mag, dass er ihn eines Filmtitels für würdig befand. Hätte es die tragikomische Farce seiner Herkunft nicht gegeben, nicht die Person des Schauspielers und Weltreisenden, der ihn einmal verkörperte und den vor der Kamera zu haben für jeden Filmemacher ein Leckerbissen sein muss, was an von Werras mörderischer Kriegsbesessenheit und seinem abstrusen Eifer, schnellstmöglich zwecks weiterer Kriegsteilnahme nach Deutschland zurückzukehren, wäre denn so berichtenswert gewesen? Zumal Schweizers solider Film weniger als Warnung angelegt ist denn als Märchenstunde über die seltsamen Wege, die das Schicksal so geht: Die Farm in Afrika nämlich, von der Franz von Werra damals träumte, die hat Hardy Krüger sich später wirklich erarbeitet. Mit dem alles entscheidenden Unterschied,...

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