nd-aktuell.de / 20.11.2003 / Kultur

Anonyme Fischfresser

Findet Nemo von Andrew Stanton

Caroline M. Buck
Fünf Spielfilme, fünf Hits, jedes Werk ein Meilenstein der Kunstform, von Kindern und Eltern gleichermaßen geschätzt und von den Kritikern mit Lorbeeren überschüttet: In einer Branche, in der jeder zweite Film als Blockbuster konzipiert wird, nur um als millionenschwerer Flop zu enden, gehört das Animationsstudio Pixar zu den Wunderkindern. Mit »Toy Story«, dem ersten im Computer entstandenen Spielfilm, schuf Pixar sich seine Nische, mit »Das große Krabbeln«, »Toy Story 2« und »Die Monster AG« ging die Erfolgsgeschichte weiter. Jetzt ist das Ende der Kletterstange erreicht: »Findet Nemo« löst das darstellerische Problem Wasser, nach Haut und Haaren die letzte echte Herausforderung für Tricktechniker, und ist mit bisher 350 Millionen Dollar Einspielergebnis schon jetzt der erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten. Was möglicherweise ebenso an seiner im Vergleich zu früheren Pixar-Produktionen recht klassisch geratenen Handlung liegt wie an der schieren Brillanz der Animation. Denn unter der Regie von Andrew Stanton werden selbst Fische zu herzerwärmenden Filmhelden. Da verliert ein hyperprotektiver Clownfisch-Vater seinen einzigen Sohn - der Rest der Brut landete vorzeitig im Magen eines räuberischen Barracuda - an das Fangnetz eines Tauchers und macht sich auf den Weg durch die Weiten des Ozeans bis ins ferne Sidney, wo der kleine Nemo im Aquarium einer Zahnarztpraxis festsitzt. Ein Happyend scheint unmöglich und ist doch gesichert, viele maritime Abenteuer und einen allseitigen Zuwachs an Lebenserfahrung später. Mit Erkan und Stefan als fischabstinentem Hai-Duo, stets rückfallgefährdeten Mitgliedern bei den Anonymen Fischfressern, Quasselstrippe Anke Engelke als Fischdame Dorie, deren eklatanter Mangel an Kurzzeitgedächtnis durch ihre Hilfsbereitschaft aufgewogen wird, und »Bullyparaden«-Komiker Christian Tramitz als Stimme von Fischvater Marlin ist das deutsche Sprecherteam zwar fernsehlastiger ausgefallen als die amerikanische Starbesetzung des Originals. Der Vergnüglichkeit tut das aber keinen Abbruch. Nur bei einem Detail haben die Pixar-Kreativen wohl nicht hinreichend mit dem Nachahmungsdrang der Kleinsten gerechnet: In den USA mussten Tierschutzverbände aus gegebenem Anlass warnen, dass die Klospülung, anders als von Nemos freiheitsdurstigen Aquariumskollegen vermutet, für den Familien-Guppy ein Ausweg ist, der eher in den Tod als in die Freiheit mündet.