Drohen Sie mit Rücktritt?

Bernd Stange

  • Lesedauer: 3 Min.
Der 55-Jährige ist seit November 2002 Coach der irakischen Fußball-Nationalelf, die derzeit ein Trainingslager im australischen Perth durchführt.
ND: Iraks Fußball-Nationalelf trainiert in Australien. Wie war der Empfang?
Stange: Begeisternd. Wir wurden auf dem Flughafen in Perth von rund 500 Menschen, vornehmlich Exil-Irakern, mit Jubel empfangen. Der Medienauflauf war ähnlich so groß wie in Deutschland, weil es der erste Auftritt der Elf in einem »Land der Koalition der Willigen« ist.

Gab es deshalb kritische Stimmen?
Bisher nicht. In Australien lief sogar zur besten Fernsehzeit ein einstündiger Bericht über uns. Hinzu kommen unzählige Radiosendungen. Die Mannschaft ist pausenlos von Journalisten umlagert. Das Training kommt beinahe zu kurz. Aber wir haben uns daran gewöhnt, dass wir Rede und Antwort stehen müssen.

Wer finanziert den Aufenthalt?
In erster Linie stemmen Freunde aus meiner Trainer-Zeit bei Perth Glory dieses gewaltige Kostenpaket. Das betrifft die Flugtickets, den gesamten Aufenthalt sowie 200 Fußbälle und Tornetze.

Wie läuft es sportlich?
Wir trainieren auf den Plätzen von Perth Glory. Wir haben unser erstes Spiel gegen eine westaustralische Auswahl vor rund 4000 Zuschauern mit 1:0 gewonnen - trotz der langen und strapazenreichen Anreise. Das zeigt einmal mehr die Stärke, die in unserer Mannschaft steckt.

Ist Ihr Kader vergleichbar mit der Mannschaft, die in Deutschland weilte?
Nein. Sie ist etwas schwächer. Alle Profis, die jetzt im Ausland unterschrieben haben, stehen nicht zur Verfügung. Die Klubs erteilten keine Freistellungen.

Der Krieg in Irak ist seit Mai offiziell zu Ende. Macht sich das positiv bemerkbar?
Nein, es verschlechtert sich systematisch. Ich habe deshalb angekündigt, dass ich nicht weitermachen werde, wenn ich keine Unterstützung erhalte. Das ist aber offenbar auf offene Ohren gestoßen. Mich haben schon die ersten Anrufe aus Bagdad erreicht. Vor allem muss sich die Situation der Spieler verbessern.

Was erregt Sie besonders?
Als wir kürzlich mit sensationellen Ergebnissen die Qualifikation für die Endrunde der Asienspiele 2004 in China erreicht haben, hätte ich von der Führung des Landes wenigstens mal einen Blumenstrauß oder einen Anruf erwartet. Aber nach wie vor stehen die Gehälter der Spieler aus. Nichts wird bezahlt. Auch die Trainingsbedingungen haben sich nicht verbessert. Eine nationale Liga gibt es nicht.

Ziehen Sie den Rücktritt wirklich in Erwägung?
Viele Dinge, die ich organisiert habe, waren privates und persönliches Engagement. Ich kann aber nicht so weitermachen. Ich bin Reisebüro, Visabeschaffer, Konsul, Arzt, Physiotherapeut, Trainer, Babysitter, Vater und Mutter in einer Person. Das übersteigt meine physischen Kräfte. Mit meinem Engagement habe ich ein Zeichen gesetzt. Aber irgendwann ist der Akku auch mal leer. Ich warte aber erst ab, was nach dem Hilferuf passiert.

Haben sich die Chancen auf eine Qualifikation für die WM 2006 erhöht?
Wenn ich Unterstützung bekomme, steigen sie. Die Fortschritte der Mannschaft sind erheblich. Seit Mai haben wir in der Weltrangliste 22 Plätze aufgeholt. Wir sind bis Oktober auf Platz 52 vorgestürmt.

Fragen: Matthias Koch
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