Man darf die Unternehmer nicht links (oder rechts) liegen lassen

Robert Gadegast

  • Lesedauer: 5 Min.
Man kann die Frage auch so stellen: Braucht der Demokratische Sozialismus unternehmerisches Handeln und Gewinninteresse? Betrachtet man das Programm der Partei als Ganzes, kann ich diese Frage nur mit Ja beantworten. Wenn wir der Meinung sind, dass diese Gesellschaft von innen heraus verändert werden kann, können wir die Unternehmer und ihr Streben nach Gewinn nicht links (oder rechts) liegen lassen, sondern nur mit ihnen gemeinsam Veränderungen anstreben. Im Sozialismus haben wir mit der Eigentumsfrage »Vergesellschaftung der Produktionsmittel« nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Über Ursachen ist viel debattiert worden. In der DDR gab es viele Betriebsleiter und Direktoren, die ihre unternehmerischen Fähigkeiten für den Gewinn ihres Betriebes einsetzten. Dennoch scheiterten sie oft an Rahmenbedingungen, die mit inneren und äußeren Faktoren zusammenhingen. Letztlich scheiterte eine ganze Gesellschaftsordnung. Die theoretischen Debatten über Sinn oder Unsinn dieses Satzes im Parteiprogramm will ich nicht kommentieren, sondern meine Sicht als Unternehmer aus dem Osten zu dieser Problematik mitteilen. Als ich mich Anfang der 90er Jahre entschied, eine kleine Handwerksfirma im Bereich Baunebengewerbe zu gründen, lag mein Motiv nicht darin begründet, »nun Ausbeuter« zu werden, sondern in der Chance, meiner Familie und mir selbst eine neue Existenz in dieser Gesellschaft aufzubauen. Mit erheblichen persönlichen finanziellen Risiken, ständigem Krisenmanagement und durch das Erlernen der betriebswirtschaftlichen Kreisläufe mit all ihren Ablegern auf den Gebieten der Steuer-, Finanz- und Rechtsfragen, versuchte ich, diese neue Situation wie viele Tausende Neugründer in den Jahren nach der Wende in den neuen Bundesländern zu meistern. Arbeitskräften einzustellen und für diese auch soziale und fachliche Verantwortung zu entwickeln, gehört unbedingt dazu. Ebenso wie die schmerzhafte Erfahrung, dass Mitarbeiter nach dem Einbruch der Baubranche Ende der 90er Jahre entlassen werden mussten. Dennoch, zehn Jahre unternehmerisch tätig zu sein, lässt auch Stolz entstehen. Stolz auf eigenes kreatives Wirken, auf das bisherige Meistern komplizierter wirtschaftlicher Situationen, Stolz auf die Existenzsicherung der eigenen Familie und die der Mitarbeiter. Ohne Streben nach Gewinn, das heißt für mich in erster Linie die Schaffung effizienter Arbeitsabläufe, die Sicherung kontinuierlicher Arbeitsaufträge, das Ringen um faire Preisgestaltung und motivierte Mitarbeiter, wäre dies nicht möglich gewesen. Nun könnte jemand sagen: »Ihr kleinen Unternehmer seid nicht gemeint. Wir meinen die Deutsche Bank, DaimlerChrysler und andere Großkonzerne. Wir meinen die enormen Gewinne an der Börse durch Finanzspekulationen und auch die Vernichtung von Geld in bisher nicht gekanntem Ausmaß.« Ist aber mein Gewinnstreben deshalb falsch, nur weil diese Unternehmen so zügellos in dieser Welt machen können, was sie wollen? Fast 49Prozent der Bruttowertschöpfung in der BRD werden vom Mittelstand erwirtschaftet, zirka 70Prozent der Arbeitsplätze stellt der Mittelstand sowie 80Prozent der Ausbildungsplätze. Unsere heutige Gesellschaft ist eben nicht nur das Großkapital, sondern es gibt auch Hunderttausende kleine und mittlere Unternehmen, die Steuern zahlen, Arbeitsplätze schaffen und Investitionen tätigen. Gewinne sind eben auch ein Stück Anerkennung für Erreichtes, falls sie überhaupt vorhanden sind. So einfach ist das! Was kennzeichnet heute »Unternehmertum«, insbesondere in Ostdeutschland? Eine Vielzahl von Freiberuflern, kleine und mittlere Unternehmer, Existenzgründer, Ich-AG - all diese Menschen betrachten ihren Schritt in die Selbstständigkeit als einen Weg der Existenzsicherung und des eigenen kreativen Handelns. Sie sind Lohnarbeiter mit hohen finanziellen Risiken, die sich oft selbst ausbeuten, kaum Vermögen haben, das einen finanziellen Rückhalt bieten könnte. Unser Streben nach Gewinn hat auch mit dieser »dünnen« Eigenkapitaldecke zu tun. Manch einer wird sich an den Streik der Handwerkerehefrauen am Brandenburger Tor vor einigen Jahren erinnern. Nicht ihr Gewinnstreben hat diese Menschen in den persönlichen Ruin getrieben, sondern Bedingungen in der Gesellschaft, denen sie schutzlos ausgeliefert waren und bis heute noch sind. Gerade ostdeutsche Unternehmen haben das zu spüren bekommen. 40000 Insolvenzen im vergangenen Jahr werden oft genannt, aber niemand spricht auch über den sozialen Absturz vieler Selbstständiger und ihrer Familien. Mit dem Bekenntnis der PDS zu unternehmerischem Handeln und Gewinninteresse in ihrem Programm hat diese Partei aber auch eine Verantwortung und Verpflichtung übernommen. Sie muss aufzeigen, mit welchen Möglichkeiten die Politik Gewinne der Konzerne stärker für das Gemeinwohl einsetzen will, zum Beispiel zur Verbesserung der Infrastruktur und Umwelt, für Bildung und Ausbildung, für nachhaltige Investitionen, um nur einiges zu nennen. Es bedeutet eben nicht, die Unternehmen aus ihrer Verantwortung für diese Gesellschaft zu entlassen. Noch gilt das Grundgesetz: Eigentum verpflichtet! Natürlich ist die Verteilungsfrage nicht der Weisheit letzter Schluss, aber versuchen wir doch erst einmal an dieses Thema konsequent heranzugehen und uns Verbündete dafür zu suchen. Das halte ich für reale Politik. Die PDS ist auch in die Pflicht genommen, mit ihren Möglichkeiten Rahmenbedingungen zu schaffen, die auf die Stabilisierung bestehender Unternehmen und Unterstützung von Neugründungen gerichtet sind. Der Unternehmerverband OWUS hat dazu eine Reihe konkreter Vorschläge auf seiner Hauptversammlung am 14. November 03 unterbreitet. Es wäre ein Stück gemeinsamer Verantwortung von PDS und Unternehmern, wenn wir diese Gedanken miteinander diskutieren und die Partei die Unternehmer in ihren Regionen noch stärker zu Verbündeten machen würde. Ihre Meinung zu hören, könnte auch den Realitätsgehalt mancher Vorschläge zur Wirtschaftspolitik der Partei erhöhen. Auch ich führe politische Debatten mit meinen Mitarbeitern, und es ist nicht immer leicht, ihnen Mut und Hoffnung für ihre Zukunft zu vermitteln. Ihre sehr irdischen Fragen zu ihrer heutigen Lebenssituation lassen mich manchmal verstummen - dennoch, je tragfähiger unsere Alternativen zur Politik der Agenda 2010 sind, desto mehr Mut kann man ihnen machen. Die Partei sollte unser unternehmerisches Handeln auch als einen Gewinn für ihre Arbeit betrachten. Robert Gadegast ist Geschäftsführer eines Handwerkbetriebes in Berlin mit drei Angestellten und einem Azubi, er ist Mitglied des Vorstandes des Unternehmerverbandes OWUS.
#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal