Neuer Anlauf für Vermögensteuer?

Grüne Antje Hermenau: Bundesländer müssen Mehrheit finden/Keine Ost-Sonderregeln

  • Lesedauer: 5 Min.
Ganz tot war sie nie - die Vermögensteuer. Die offensichtlichen Gerechtigkeitslücken bei den rot-grünen Reformen verstärkten die Debatte, welche Vermögen fürs Gemeinwohl herangezogen werden können. Die SPD konnte sich zu einer förmlichen Forderung nach Wiederauflage der Vermögensteuer auf ihrem Parteitag zwar nicht durchringen. Allerdings liegt seit Anfang November ein Vorschlag des bündnisgrünen Koalitionspartners auf dem Tisch. Über die Vermögensteuer und die Reformen sprach ND-Mitarbeiter Jörg Staude mit Antje Hermenau. Die aus Sachsen kommende 39-Jährige ist die haushaltspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
ND: Eher noch als SPD-Politiker legten Bündnisgrüne ein Papier vor, in dem die Wiedereinführung der Vermögensteuer gefordert wird. Das wurde schon so oft versucht, dass man sich fragt, ob das noch immer Sinn macht?
Hermenau: Der Vorschlag, die Vermögensteuer wieder einzuführen, war auf unserem Parteitag im Juni in Cottbus beschlossen worden. Dass dann diejenigen, die einen solchen Beschluss haben wollten, ein eigenes Papier vorlegen, halte ich für normal. Sein Vorteil ist, dass die darin enthaltene Variante zur Vermögensteuer verfassungskonform ist, also eine bestimmte persönliche Steuerquote damit nicht überschritten werden darf. Darum ist ja immer der Streit gegangen. Das ist gewissermaßen eine neue Qualität, über die sich zu diskutieren lohnt. Ob dann Mehrheiten für einen solchen Vorschlag zustande kommen, ist eine ganze andere Frage.

Das grüne Konzept zur Vermögensteuer strebt jährlich 16 Milliarden Euro Einnahmen an - ein relativ großes Aufkommen. Sie sind sicher, dass das verfassungskonform ist?
Ja, die Konformität ist gegeben, weil die gezahlte Vermögensteuer unter Umständen auf die Einkommensteuerschuld angerechnet werden kann - diese also so vermindert, dass das Einkommen nicht überbesteuert wird. Das heißt aber auch: Das Aufkommen wird unter den 16 Milliarden liegen. Dies der Öffentlichkeit klar zu machen, halte ich in wirtschaftlich schlechten Zeiten für angebracht.

Eher dürften die Länderkassen mit den 8 bis 9 Milliarden Euro Einnahmen rechnen, mit denen SPD-Länder hausieren?
Wichtiger als diese Zahlen ist für mich die Frage, wie man eine Mehrheit für die Vermögensteuer zusammenbekommt. Diese muss, weil sie eine reine Ländersteuer ist, über den Bundesrat eingebracht werden.

Statt die Vermögensteuer im Haushalt versickern zu lassen, könnte man die Gelder doch zweckgebunden einsetzen, beispielsweise für die Bildung. Da kann doch niemand Nein sagen?
Ja. Dennoch bleibt es dabei: Die Länder müssen unter sich eine Mehrheit erzielen. Die Vermögensteuer ist sowohl von den Einnahmen als auch von den Ausgaben her eine reine Ländersteuer. Der Bund hat davon nichts. Naturgemäß gibt es hierbei unterschiedliche Länderinteressen. Das hat vor allem mit den jeweiligen Durchschnittseinkommen zu tun. Deswegen tat sich Ostdeutschland in der Debatte nie besonders hervor. Sie können sich an drei Fingern abzählen, wer überhaupt steuerpflichtig würde. Bayern und Baden-Württemberg könnten dagegen eine Menge einnehmen - dafür haben die Südländer gerade eine Wegwander-Debatte an der Backe. All das macht die Gemengelage für die Länder sehr unübersichtlich. Wir werden im Parteivorschlag von Bündnis 90/ Grüne sicher darüber zu reden haben, wie die Länderregierungen, bei denen der grüne Punkt dran ist, unseren Vorschlag für eine Vermögensteuer umsetzen.

Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein müssten eine Bundesratsinitiative starten?
Nur so kann das laufen. Der Bund ist nicht gesetzgebungsberechtigt. Ich bezweifle, ob es eine Ländermehrheit für eine neue Vermögensteuer gibt - aber vielleicht findet jemand den richtigen Dreh.

Dass der Bund von einer Vermögensteuer gar nichts hat, kann ich nicht glauben. Wenn die Länder sich Mehreinnahmen organisieren, wird der Bund seinerseits Zuweisungen kürzen.
Die Vermögensteuer wird nur einigen Ländern zugute kommen - und das sind nicht einmal diejenigen, die am meisten Not leiden. Daraus resultiert also keine Verteilungswirkung - außer indirekt über den Länderfinanzausgleich. Der ist allerdings ein mühsames Geschäft. Der Bund seinerseits könnte nicht einfach beschließen, bestimmte Zuweisungen oder den Anteil der Länder bei einigen Gemeinschaftssteuern abzusenken. Dazu müsste er sich mit den Ländern einigen.

Die neuen Länder verlangen bei den Reform-Verhandlungen Regelungen, um die besonderen Lasten durch das Zusammenlegen von Arbeitslosen- und Sozialhilfe sowie die Ost-Renten auszugleichen. Wie sehen Sie das?
Ich kann verstehen, dass die ostdeutschen Länderhaushalte die Belastungen aus den DDR-Renten kaum verkraften können - allerdings haben auch nicht wenige westdeutsche Bundesländer, wenn auch auf niedrigerem Niveau, Erbmasse zu bewältigen. Diese regionalen Besonderheiten werden in der Regel über den Länderfinanzausgleich aufgefangen, auch wenn das nicht immer bis auf Heller und Pfennig ausgetüftelt werden kann.
Was mich an den Sonderforderungen des Ostens derzeit stört, ist, dass wir uns derartige Gerechtigkeitsdebatten nicht jeden Tag von Neuem leisten können. Wir müssen bei den Reformen schnell zu Entscheidungen kommen. Nur dann werden sie Impulse setzen. Aus diesem Grund lehnt der Bund die Forderungen nach Sonderregelungen Ost ab. Wenn er jetzt schon mit Ausnahmen bei den Reformen anfinge, wäre das Vermittlungsverfahren auch ziemlich überflüssig.

Lasten wie die Ost-Renten haben eigentlich nichts mit dem rot-grünen Reformpaket zu tun. Wollen die neuen Länder ihr Gewicht im Bundesrat nutzen, um Zugeständnisse zu erreichen?
Die Dinge haben nichts wirklich miteinander zu tun. Deswegen war Finanzminister Eichel über die Sonderforderungen auch wenig begeistert. Diese klingen auch so, als würde die Wirtschaft in den neuen Ländern sofort gesunden, wenn dorthin mehr Geld fließt. In dem Punkt sind wir alle doch inzwischen klüger geworden. Und da sollte man auch nicht so eine falsche Debatte führen. Im Moment geht es eher darum, dass die westdeutsche Wirtschaft, an deren Tropf die Ost-Unternehmen hängen, einen Sprung nach vor macht.
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