Geschäfte mit dem Müll

Nach Korruptionsverdacht erste Ermittlungen gegen Landrat

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Geschenke, die Müllgeschäfte befördern - mit dieser Methode könnten auch sächsische Kommunalpolitiker umgarnt worden sein. Gegen den Delitzscher Landrat ermittelt die Staatsanwaltschaft.
Wollte Michael Czupalla den entscheidenden Hinweis gar selbst geben? »Weil man sich kennt«, lautete der Spruch auf Plakaten, mit dem sich der CDU-Politiker im Jahr 2001 bei den Bürgern des Kreises Delitzsch für die Wahl als Landrat empfahl. Auf den ersten Blick schien er damit auf Vertrauen in den Amtsinhaber zu setzen. Doch Vorwürfe der Untreue und Vorteilsnahme, die jetzt zu einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft führten, legen auch eine andere Deutung nahe. Die 150 Plakate wurden nämlich, wie Czupalla einräumte, von einem Beratungsinstitut namens IKW bezahlt. Das von zwei großen Müll-Entsorgungsfirmen gegründete Unternehmen und sein Hauptgesellschafter Klaus Jürgen Haupt erlangten unrühmliche Bekanntheit, als eine von der nordrhein-westfälischen Landesregierung gebildete so genannte Task Force die Müllgeschäfte zwischen Kommunen und Entsorgern unter die Lupe nahm. Beim Bau von Müllverbrennungsanlagen, so stellte sich heraus, waren vielfach Kommunalpolitiker von Lobbyisten bestochen worden. Auch Haupt habe, wie Fahnder es nennen, »Einflussspenden« gezahlt. In Delitzsch arbeiten Haupt und seine Firma nicht nur als »Türöffner«. IKW ist Teilhaber der Kreiswerke Delitzsch (KWD). Deren Aufsichtsrat wird von Czupalla geleitet. Der kommunale Betrieb ist für die Beseitigung von Müll im Landkreis zuständig. Lange wurde auf den Bau einer Verbrennungsanlage gesetzt, die mehr als das doppelte der anfallenden Müllmenge hätte entsorgen können. Davon würden die Anlagenbauer profitieren; den Bürgern drohen bei nicht ausgelasteten Müllöfen höhere Gebühren. Die per Beschluss des Kreistages eingeleitete Ausschreibung wurde inzwischen gestoppt. Kritiker glauben, dass IKW-Hauptgesellschafter Haupt beim Streit um die Müllentsorgung auch in Sachsen »politische Landschaftspflege« betrieben hat. Rechtsanwalt Lothar Hermes, der eine Delitzscher Bürgerinitiative gegen die Müllverbrennung vertritt und sich in der »Bundesvereinigung Öffentliches Recht« gegen Korruption engagiert, weist nicht nur auf die Plakatspende und andere Geschenke hin. Nach seinen Angaben wird bei der Sächsischen Landesbank auch ein Konto für eine gemeinsame Firma von Haupt und Czupallas Lebensgefährtin geführt. Rechtsanwalt Hermes weist auch auf andere merkwürdige Verquickungen hin. So ist Haupts Firma nicht nur direkt an den Kreiswerken beteiligt; der Lobbyist wurde gleichzeitig als Berater engagiert. Er soll dafür jährlich 330000 Euro Honorar erhalten. Diese Summe, merkt der Delitzscher PDS-Landtagsabgeordnete Michael Friedrich an, müsse ebenso von den Gebührenzahlern aufgebracht werden wie die 400000 Euro Planungskosten für den neuen Müllofen. Die Gebührenkalkulation in Delitzsch wurde unlängst um zehn Prozent in die Höhe geschraubt. Nach Beginn des Ermittlungsverfahrens erklärte Czupalla, er sehe den Überprüfungen »gelassen« entgegen. Friedrich, der auch PDS-Fraktionschef im Kreistag ist, forderte den Landrat auf, die Finanzierung seiner Wahlkampagne offen zu legen. Die Spendenannahme verstoße gegen einen Beschluss des Kreistags, wonach kommunale Unternehmen keine Mittel in den Landratswahlkampf stecken dürfen. Außerdem befasst sich der Kreistag in einem Akteneinsichtsausschuss mit der Ausschreibung für die Müllverbrennungsanlage. Auch das Land sollte sich des Themas annehmen, drängt die Opposition. Zwar werden unterschiedliche Mittel erwogen: Die PDS will eine »Landeskoordinierungsstelle« für Prävention und Bekämpfung von Korruption, die SPD ein »Lagebild«. Arbeit sehen beide Parteien genug. Ob bei Landrat Czupalla oder beim Ex-Oberbürgermeister von Riesa und zeitweiligen Olympia-Staatssekretär - private und dienstliche Interessen lägen in Sachsen oft nahe beieinander.
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