nd-aktuell.de / 21.11.2003 / Brandenburg

Ein Sockel der unvollendeten Geschichte

Grundstein für ein Liebknecht-Denkmal wurde ein zweites Mal enthüllt - ohne Liebknecht

Karin Nölte
Der schon 1951 aufgestellte Sockel für ein Denkmal für Karl Liebknecht am Potsdamer Platz wurde gestern ein zweites Mal enthüllt. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) sagte in einer Feierstunde, dass er »beruhigen und enttäuschen« werde: Es sei keine Vollendung des Denkmals geplant. Der Sockel solle an die Geschichte einer gescheiterten Denkmalserrichtung erinnern und so selbst zum Denkzeichen werden, das in verschiedenen Schichten und Deutungen zu lesen sei. Der 1,70 Meter hohe Grundstein aus Sandsteinquadern steht nur etwa fünf Meter neben dem authentischen Standort, an dem sich heute eine Säule am Eingang zum Sitz der Gewerkschaft ver.di befindet. Hier hatte Karl Liebknecht am 1. Mai 1916 eine Demonstration gegen die Fortsetzung des Ersten Weltkriegs organisiert, war daraufhin verhaftet, inhaftiert und schließlich ermordet worden. An dessen 80. Geburtstag, am 13. August 1951, hatte Friedrich Ebert, Oberbürgermeister von Ost-Berlin, erstmals den Grundstein für ein geplantes Denkmal enthüllt. »Ein Datum mit Zukunft«, wie Flierl sagte. Er erinnerte daran, dass das Politbüro der SED noch am 18. Juli 1961 eine FDJ-Demonstration auf dem Potsdamer Platz zu Liebknechts 90. Geburtstag am 13. August 1961 genehmigt hatte. Dann geriet der Stein 40 Jahre in den Mauerstreifen und »verwaiste im Niemandsland«, so Flierl. In der DDR habe dieses Denkmal-Projekt immer im Schatten von Ernst Thälmann und anderen Geschichtsstätten gestanden, sagte der Senator. Zuletzt sei noch 1987 im Neubaugebiet von Hellersdorf eine Liebknecht-Ehrung geplant gewesen. Der wiederaufgestellte Sockel solle auf das »gebrochene und widersprüchliche Verhältnis« zu Liebknecht in beiden Teilen der Stadt aufmerksam machen. Auch im Westen sei das Gedenken an ihn immer »schwierig« gewesen. Eine Tafel an der Cornelius-Brücke sei nach wiederholten Anschlägen seit 1986 verschwunden, nur ein Mahnmal im Tiergarten erinnere an den Sozialdemokraten. Flierl dankte allen, die seit Jahren eine Initiative für die erneute Installation des Sockels unterstützt haben. Nach dem Mauerfall habe man einen geschwärzten und bemoosten, vergessenen Stein wiedergefunden, sagte Ulrich Eckart, ehemaliger Direktor der Berliner Festspiele. Es sei nicht nostalgisch oder anachronistisch, im November 2003 den Stein zurückzuholen, weil damit an Liebknechts Protest erinnert werde, dass Krieg kein Mittel der Politik sein darf. Der Sockel mit seiner »sehr deutschen Geschichte« solle ein »unübersehbarer Stolperstein« sein, »vielleicht verstörend wirken« und damit sich selbst legitimieren. Seit 1994 hatte sich die Gedenktafelkommission der Bezirksverordnetenversammlung Mitte um die Wiederaufstellung des Sockels bemüht. Deren Vorsitzender, Volker Hobrack, verwies auf die »dicke Korrespondenz« auch mit den privaten Investoren an dem Ort, die jedoch abgewinkt und 1995 den Stein von ihrem Baugrund abräumen ließen, der daraufhin eingelagert wurde. Er sei dem Senat dankbar, der die Initiative unterstützt und finanziell ermöglicht hat. Der Sockel wurde restauriert, die eingemeißelte Inschrift rot hervorgehoben: »Von dieser Stelle aus rief Karl Liebknecht am 1. Mai 1916 zum Kampf gegen den imperialistischen Krieg und für den Frieden auf«. Daneben ist eine kleine Tafel mit den Daten der Grundsteinlegung, der Demontage und der Wiederaufstellung des Sockels angebracht. Auf einer weiteren, beigestellten kommentierenden Tafel wird in deutscher und englischer Sprache der Lebenslauf Karl Liebknechts skizziert. Zudem wird die wechselvolle, nie vollendete Geschichte des Liebknecht-Denkmals beschrieben.