Bedrohung des 21. Säkulums

  • Jochen Reinert
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.
Was zur großen Londoner Siegesfeier über den vorgeblich auf Bergen von Massenvernichtungswaffen sitzenden Diktator Saddam Hussein werden sollte, gerät immer mehr zu einem politischen Desaster für Gastgeber Tony Blair und seinen Irak-Kriegs-Mentor George W. Bush. Als die Rufe der Londoner Anti-Bush-Demonstranten über den Trafalgar Square hallten, waren keine zehn Stunden vergangen, seit in Istanbul zwei Anschläge auf britische Einrichtungen einen hohen Blutzoll forderten. Der innere Zusammenhang der Ereignisse dieses Tages ist nicht zu übersehen. Mit seiner Bemerkung »Anschläge wie in Istanbul rechtfertigen unseren Einsatz in Irak« hat Premier Blair diesen Kontext auf seine Weise bestätigt: Die anglo-amerikanische Aggression gegen Irak hat im Laufe dieses Jahres Millionen von Anti-Kriegs-Demonstranten auf den Plan gerufen. Aber sie hat auch dem islamistischen Terrorismus neue Felder geöffnet und ihm viele verblendete Terror-Rekruten zugeführt. Wenn denn, wie Blair gestern in London dozierte, »dieser Terrorismus« die »Bedrohung des 21. Jahrhunderts schlechthin« sei, so haben ihn die westlichen Eroberer Mesopotamiens anno 2003 ein Stück weit selbst geschaffen. Doch die eigentliche unmittelbare Bedrohung dieses Säkulums ist nicht nur in den Augen Michael Moores der USA-Präsident Bush und die von ihm und seinem Öldirektorium mit Brachialgewalt realisierte imperiale Politik. Dabei handelt es sich um zynische Machtpolitik. Unter dem Mantel hehrer Begriffe wie »Demokratie« und »Freiheit« werden in einem einzigen Jahr über 400 Milliarden Dollar zur Aufrechterhaltung eines militärischen Gewaltapparates mit global über 700 Stützpunkten eingesetzt. Solch kostspieliger Militarismus, von dem sich auch die EU immer mehr anstecken lässt, verschlingt jene Milliarden, die - im Kampf gegen die Armut vernünftig eingesetzt - zumindest Teile des Terror-Nährbodens »austrocknen« könnten. Das ist gewiss keine neue Weisheit. Aber sie sollte beim Blick ...

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