Für Peter Hoff

Man begegnet ihnen in Köln und München, in Hamburg und Mainz, in Berlin und in Potsdam: Alsolventen der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf«, Studenten von Peter Hoff. In jenem nachwendischen Jahrzehnt, in dem ich ihn seltener sah, erinnerten sich manche, die ich »auswärts« traf, an Lehrveranstaltungen bei Peter Hoff. Und die Gespräche kreisten um jenen Ort, jenes ebenso große wie hässliche Gebäude in der Karl-Marx- Straße in Babelsberg, in dem die Fachrichtung Regie untergebracht war. Und die Kantine. Damals Grenzgebiet, mit Aussicht auf den See und auf ein Stück Westberlin. Er war oft in Babelsberg, hatte ein umfangreiches Lehrprogramm und stand Studenten mit Rat und Tat zur Seite, auch schauspielernd, wenn er in studentischen Produktionen gebraucht wurde. Seine wachen Augen, sein charakteristischer Sprechstil - er konnte mit unheimlicher Geschwindigkeit auch polternd, wenn es sein musste - in Auseinandersetzungen eingreifen, seine Körpersprache, die stets die Nähe zum Theater offenbarte - Peter Hoff war in jenem Gebäude häufig präsent, auch wenn es ihn gelegentlich zu anderen Häusern trieb. »Scheidelinie: Gegenwart« ist einer seiner Aufsätze zu dramatischen Fernsehproduktionen im Jahr 1985 überschrieben. Das klingt merkwürdigerweise so aktuell. Kaum jemand kannte sich auf diesem Gebiet so gut aus wie Peter Hoff. Ich habe bewundert, wie er es bei seinem umfangreichen Arbeitspensum zustande brachte, alle wichtigen Fernsehfilme und -spiele, Serien und gelegentlich auch Seifenopern zu sehen. Seine Fernsehkritik im »Neuen Deutschland« setzte damals Maßstäbe. Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen haben vorrangig das Fernsehen zum Gegenstand, jenes Medium, das zu den Zeiten, als er seine Forschungen begann, wissenschaftlich noch kaum ernst genommen wurde: Wenn überhaupt medienwissenschaftliches Interesse aufkam, dann bei den audio-visuellen Medien doch wenigstens zum Film. Und den Bildschirm gar mit ästhetischen Kategorien zu konfrontieren erschien noch lange anrüchig, war eher als eine Art »Boulevard-Wissenschaft« verpönt. Zudem war die große Politik in der DDR dem wissenschaftlichen Interesse gegenüber dem Fernsehen nicht gewogen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie oder auch Tragik, dass das Institut für Medienforschung an der Hochschule für Film und Fernsehen erst kurz bevor die DDR abhanden kam gegründet werden konnte. Im Übrigen mit großem Engagement auch von Peter Hoff. Er hat sehr gelitten unter der arroganten Abwertung der Medienwissenschaft. Manche sarkastische Äußerung zeugt davon. »Die schlimmste mögliche Wendung, die eine Komödie nehmen kann, ist die in die Geschichte« - so ist ein filmwissenschaftlicher Aufsatz von Peter Hoff doppelsinnig überschrieben, publiziert in den Beiträgen zur Film- und Fernsehwissenschaft, in denen er selbst zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten veröffentlichte und in denen er einige Jahre Herausgeber war. Diese Schriftenreihe verdankt seinem Engagement viel. Peter Hoff war einer der fundiertesten Kenner des DDR-Fernsehens. Seine Analysen zur Fernsehgeschichte wie besonders zu den dramatischen Produktionen sind auch in Fachkreisen in Ost und West viel gelesen worden. Nun steht zu fürchten, dass jene wissenschaftlichen Arbeiten überhand nehmen, in denen doktortitelwillige Menschen über Sendungen des DDR-Fernsehens sich entäußern, die sie nie gesehen haben und nunmehr aus den umfangreichen Beständen an beschriebenen und gespeicherten »Akten« (schriftlicher wie audiovisueller Art) ohne jeglichen Bezug auf lebensweltliche Kontexte analysieren: die späte eigentümliche Rekonstruktion einer Lebenswelt aus einigen ihrer verakteten Spuren. Der Tod von Peter Hoff hinterlässt hier eine nicht mehr zu schließende Lücke. Seine Analysen und speziellen Kenntnisse sind verloren. Die nachwendische Medienpolitik und Medienwissenschaft pflegt scheinbar lieber ihre eigenen »unverbrüchlichen« Traditionen und Einseitigkeiten. Peter Hoff passte nicht so recht ins Schema. Schon zu DDR-Zeiten nicht. Die Jagd auf akademische Titel oder die jahrelange »Bearbeitung« von Kategorien waren nicht seine Welt. Ihn zeichnete eine ebenso beständige wie stets aktuelle Suche nach neuen Akzenten, Formaten, Experimenten des Mediums Fernsehen aus. Seine Fernsehkritiken gehörten deshalb vor und nach der Wende zu jenen, die ich immer mit Gewinn lesen konnte. Seine wissenschaftlichen Arbeiten waren auch nicht mit Unverständlichkeit gewürzt. Er konnte kompliziertere Zusammenhänge verständlich beschreiben, weshalb er in der Lehre so wichtig war. Dafür erinnern sich manche inzwischen berühmte Absolventen der Hochschule für Film und Fernsehen »Konrad Wolf« auch an seine Einsichten und seine Persönlichkeit. Warum, so fällt mir im Nachdenken auf, trafen Peter Hoff und ich uns nach der Wende auch politisch bei den gleichen Veranstaltungen, ohne das einer den anderen je fragte, warum gerade wir und manch andere unserer wirklichen und vermeintlichen Gefährten nicht? Es war wohl die gleiche linke Grundeinstellung. Auf jeden Fall war es für uns beide nich...

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