»Teststopp steht für die USA nicht auf der Tagesordnung«

Wolfgang Hoffmann zu den Chancen auf ein umfassendes Atomtestverbot

  • Lesedauer: 3 Min.
Botschafter Wolfgang Hoffmann ist Exekutivsekretär der in Wien ansässigen UN-Behörde zur Vorbereitung des Vertrages zum umfassenden weltweiten Atomteststopp (CTBTO). Ein unbefriedigender Job: Obwohl der Vertrag seit 1996 vorliegt, kann er nicht in Kraft treten, solange ihn Staaten wie Ägypten, Iran, Israel, Pakistan, Indien oder die USA nicht ratifiziert haben.
ND: Bei der jüngsten Sitzung Ihrer Vorbereitungskommission vor einigen Tagen mussten Sie wieder mit Erfolgsgeschichten aufwarten, die eigentlich keine sind. Etwa, dass Eritrea den Atomteststopp-Vertrag ratifiziert hat oder kurz zuvor Honduras, Kirgisstan, Mauretanien und Palau. Wann werden endlich die Vereinigten Staaten den Vertrag ratifizieren?
Hoffmann: Es gibt die politische Absicht der Vereinigten Staaten, diesen Vertrag nicht zu ratifizieren. Eine Ratifizierung steht in Washington überhaupt nicht auf der Tagesordnung. Es ist sowieso schwierig: Wenn man erstmal eine republikanische Regierung überzeugen kann, diesen Vertrag zu ratifizieren, dann kriegt man das auch durch den Senat, weil die Demokraten ohnehin dafür sind. Wenn es eine demokratische Regierung in Washington gibt, dann wird es schwierig, weil man die Zweidrittelmehrheit im Senat braucht und die Republikaner dagegen sind.

Also ist das eher Scheitern als Chance. Wenn ein republikanischer Präsident in Washington sitzt, scheitern Sie schon an dem, wenn es ein demokratischer Präsident ist, scheitern Sie am Veto der Republikaner im Senat?
So könnte man meinen, ja.

Erst in der vergangenen Woche hat der USA-Kongress ein Budget zur Entwicklung so genannter Mini-Nukes bewilligt. Gleichzeitig sagen einige Militärexperten, diese Mini-Nukes könnte man auch ohne Tests herstellen, weil sie im wesentlichen auf alter Technologie basieren.
Ja, genau. Das war auch eines jener Bedenken, die die Inder hatten, als wir alle gemeinsam 1996 diesen Vertrag erdacht haben. Die Inder meinten damals, dieser Vertrag könnte niemals wirksam werden, weil Labortests damit eben nicht verboten werden. Es ist aber sehr riskant, eine neue Atombombe ohne echte Tests herzustellen, denn das kann auch furchtbar schief gehen. Was die Amerikaner sich da vorstellen, weiß ich nicht. Wenn es etwa um diese nuklearen Bunker-Brecher geht, muss man sich doch die Frage stellen, wie tief man damit in die Erde eindringen kann, ohne dass der natürliche Erddruck die Waffe zur Explosion bringt. Physiker sagen, bei 50 Meter Tiefe ist Ende. Aber es gibt Bunker, die 100 Meter tief sind.

Sie scheitern mit Ihrem Vertrag aber nicht alleine an den Vereinigten Staaten, sondern auch im Nahen Osten. Weder Israel noch Iran noch Ägypten haben den Vertrag ratifiziert. Haben Sie es da mit einem Patt zu tun?
Man muss das im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt sehen. Solange der nicht gelöst ist, wird es allen Staaten sehr schwer fallen, diesen Vertrag zu ratifizieren. Als es in der ersten Hälfte des Jahres durchaus ermutigende politische Signale gab, hat Algerien als arabischer Staat sofort die Gelegenheit genutzt und ratifiziert. Den Ägyptern darf es nach eigenem Bekunden nicht noch einmal passieren, dass sie einen Vertrag unterschreiben und die Israelis das nicht tun. So etwas ist ihnen beim Atomwaffensperrvertrag geschehen. Es gilt also: Die arabischen Staaten werden nur ratifizieren, wenn die Israelis es tun und umgekehrt. Das machts kompliziert.

Gibt es eigentlich einen Sanktionsmechanismus im Vertrag, also die Möglichkeit, einen Staat vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen, wenn er trotzdem Atomtests durchführt.
Natürlich können wir in so einem Fall zum Sicherheitsrat gehen, aber erst, wenn der Vertrag weltweit in Kraft getreten ist. Einen Sanktionsmechanismus gibt es also bis dahin von unserer Seite aus nicht.

Können Sie prognostizieren, wann der Vertrag in Kraft treten kann?
Aber nicht doch! Das wäre völlig unrealistisch!

Fragen: Martin Schwarz, Wien
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